Inland

Schlechter Kaffee und gutes Essen

von Taner Ünalgan · 12. November 2012

Markus Töns kocht gerne. Doch für den Landtagsabgeordneten aus Nordrhein-Westfalen ist essen mehr als bloße Nahrungsaufnahme. Ein kulinarisches Porträt.

Markus Töns ist seit 25 Jahren Mitglied der Sozialdemokratischen Partei Deutschlands, seit sieben Jahren Mitglied des nordrhein-westfälischen Landtages für die SPD und Hobby-Koch aus Leidenschaft: Im Landtagswahlkampf 2010 nahm er auf Einladung der Gelsenkirchener Jusos an einem „KoLa – Kochen mit dem Landtagsabgeordneten“ teil und kochte in einem Jugendzentrum in seinem Wahlkreis selbstgemachte Ham- und Cheeseburger. Als Dessert gab es gratinierte Orangenfilets. Interessierte Zuschauer stellten von Zuhause aus Fragen, sowohl politischer, als auch lebensmitteltechnischer Natur. Die Jugendlichen im Jugendzentrum waren begeistert.

Das Leben als Mitglied des Landtages habe seine Essgewohnheiten klar verändert, erzählt Töns. So habe er vor einigen Jahren damit aufgehört, an langen Sitzungstagen zuerst tagsüber in der Landtagskantine zu essen und sich zu später Stunde dann noch eine Bockwurst, Frikadelle oder Kartoffelsalat zu gönnen: „Dem Körper hat das auch nicht gut getan“. Töns stellte also seine Ernährung um.

„Der Kaffee war grausam, für die gute Sache hat man ihn aber getrunken“ 

Seine persönliche Auseinandersetzung mit dem Thema Essen begann aber schon früher, während seiner Zeit als Student der Politikwissenschaft an der Universität Münster. Anfang der achtziger Jahre ging es Töns und vielen seiner Mitstreiterinnen und Mitstreiter darum, durch den Konsum von Kaffee aus Nicaragua die Revolution zu unterstützen. „Der Kaffee war grausam, für die gute Sache hat man ihn aber getrunken“, erinnert sich Töns heute.

Zu seiner Studentenzeit eröffneten auch erste kleine Läden, die mit fairen Produkten handelten, mit Büchern oder Schokolade, mit ersten Produkten des Kunsthandwerks. So erhielt Töns einen politischen, aber auch einen spielerischen Zugang zu fair gehandelten Produkten. Komplett fair und bio ernährte sich Töns damals natürlich nicht. Das wäre ihm zu dieser Zeit sowohl organisatorisch als auch finanziell schwer gefallen. Heute gebe es dagegen Studierende, die diese soziale und ökologische Art der Ernährung voll leben könnten und lebten, meint Töns - auch, weil einige Studentenwerke bereits ausschließlich fair gehandelte Produkte anböten. 

„Wenn man es politisch will, gibt es auch einen Weg“

Für Töns‘ Engagement in den Achtzigern spielte auch Ideologie eine Rolle: Als Jungsozialist und Sozialdemokrat identifizierte er sich schon damals mit der SPD als einer Partei, die für europäische und internationale Politik stand, wohinter auch immer die Frage nach weltweiter Gerechtigkeit stecke. Diese habe sich vor allem mit der Globalisierung immer weiter verstärkt.

Mit dem Tariftreue- und Vergabegesetz der rot-grünen Landesregierung in Nordrhein-Westfalen hätten Kommunen nun auch die Möglichkeit, vor Ort die Beschaffung fair gehandelter Produkte zu organisieren. Töns empfindet das als großen Fortschritt: „Wenn man politisch will, gibt es auch einen Weg“. In der Landtagskantine würden vermehrt faire Produkte angeboten, komplett sei man allerdings noch nicht umgestiegen, obwohl es bereits Verhandlungen gegeben habe.

Faire Bezahlung statt Almosen

Wenn Markus Töns Zeit hat und kochen kann, interessiert er sich auch persönlich für die Herkunft der Produkte. Er geht zum Metzger seines Vertrauens, will wissen, woher das von ihm verwendete Fleisch stammt. Dass er sich diese Fragen stellen kann, ist für ihn ein hohes Privileg und Ausdruck von Lebensqualität. Für den Landtagsabgeordneten ist es ungerecht, wenn Menschen ihre Grundbedürfnisse nicht finanzieren können. Er nennt es „Luxus“, sein Einkaufsverhalten selbst bestimmen zu können, da Menschen, die nur über geringes Einkommen verfügen, dies oft nicht könnten.

Trotzdem ist Töns dagegen, „Almosen“ zu verteilen. Er spricht sich vielmehr für ein vernünftiges Einkommen, zum Beispiel mithilfe eines gesetzlichen Mindestlohnes aus. Markus Töns findet es wichtig, dass „Arbeit fair bezahlt“ wird – „auch und gerade in unserer Gesellschaft“.

Nicht jeder kann sich Bio leisten

Markus Töns setzt sich dafür ein, dass die hier lebenden Menschen ihre Familien ernähren und ihren Ruhestand genießen können: „Ich bin ja auch nicht als Abgeordneter auf die Welt gekommen“, sagt er. Töns ist nicht nur Landtagsabgeordneter, sondern auch dreifacher Vater. Und deshalb kennt er die nicht immer einfachen Lebensbedingungen, die es für viele Menschen zu meistern gilt.  Menschen, die nicht ausschließlich fair und bio essen, macht Töns deshalb auch keinen Vorwurf. Er weiß, dass es viele gibt, die sich diese Lebensweise eben nicht leisten können und möchte, dass Politik und Wirtschaft die Menschen in die Lage versetzt, ihre Grundbedürfnisse aus eigenem Einkommen zu finanzieren.

Die Arbeit der Tafeln, die vielerorts in Deutschland entstanden sind, lobt Töns zwar. Gleichzeitig ist er  der Meinung, dass sie „nicht die Lösung, sondern eine Verdeutlichung des Problems“ sind. Sein Ziel, fairen Lohn und faire Arbeitsbedingungen für alle Menschen zu schaffen, nimmt Töns in Schutz, denn er wisse, dass „wir nie einhundert Prozent erreichen werden. Aber wir wollen immer mehr und immer besser werden.“

Autor*in
Taner Ünalgan

Taner Ünalgan war bis zum Sommer 2012 Bundeskoordinator der Juso-SchülerInnen

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