Inland

Für Bäcker bezahlbar

von Sascha Langenbach · 3. Februar 2014

Weil die Wohnungen nahe der Bäckerei zu teuer wurden, kauften die Inhaber von "Märkisches Landbrot" ein Haus – und vermieten nun günstig an ihre Beschäftigten.

Nachts in Berlin-Neukölln: Hier pocht das neue, junge Herz des internationalen Party-Volkes. Hier klingen jede Nacht Gläser, Flaschen und Musik, vielsprachige Gäste aus der ganzen Welt bescheren der Tourismus-Branche der Hauptstadt Umsatz- und Übernachtungs-Rekorde. Politik und Wirtschaft sind stolz auf dieses ökonomische Wunder im einstigen Problem-Viertel. Jedoch: Immer weniger Berliner können sich das Wohnen im Szeneviertel leisten. Ein Unternehmer steuert nun gegen den Trend – und bietet billige Betriebswohnungen an.

Betriebswohnung. Im Zusammenhang mit dem neuen In-Ausgehbezirk wirkt dieser Begriff wenig sexy. Aber Handwerker, Angestellte mit kleinem Einkommen, Familien: In deutschen Ballungszentren ist die Wohnungsfrage für diese Gruppen zum Problem geworden. „Elf Euro kalt in der Stadtmitte werden mittlerweile verlangt“, ärgert sich Joachim Weckmann, Chef der Bäckerei „Märkisches Landbrot“, die ihren Sitz in einem Neuköllner Gewerbegebiet hat. Obwohl Weckmann seine 47 Mitarbeiter im oberen Drittel des Industrie- und Handwerkstarifs bezahlt, Ungelernte bei ihm zehn Euro Mindestlohn bekommen, reicht es für viele nicht mehr zur bezahlbaren Bleibe in der Nähe des Arbeitsplatzes. Und das soll gerade bei Bäckern unbedingt sein: „Durch die Nachtarbeit mute ich den Leuten ohnehin schon viel zu, lange Wege nach Ende der Schicht sollte man da vermeiden“, findet Weckmann.

Nun ist der vitale 60-Jährige beileibe kein normaler Bäcker, sondern einer, der es mit allem, was er anpackt, besonders ernst meint. Nicht nur, was seine bio-dynamischen Brote und Schrippen angeht, sondern auch wenn es um das Wohl der Mitarbeiter geht. Zusammen mit seiner Frau und einem Kompagnon kaufte  Weckmann ein Mietshaus in Neukölln, nur zwei Kilometer vom Betrieb entfernt.

288 Euro warm sind bezahlbar


„Das Haus wird überwiegend von Studenten bewohnt, verfügt insgesamt über 33 kleine Wohnungen“, so der Bäcker und Hausbesitzer. Seinen Mitarbeitern stellt er Wohnungen für 5,50 bis 6,50 Euro pro Quadratmeter zur Verfügung. Mit Nebenkosten bezahlen die jungen Bäcker und Azubis 288 Euro warm. Ein Preis, den sich der Mittelständler flächendeckend in Ballungszentren wünscht, wenn es um sozialen Wohnungsbau geht.  
1,5 Millionen Euro hat sich das Trio das Haus am Schifffahrtskanal kosten lassen. Den Kredit hat die auf nach­haltiges Finanzwesen spezialisierte Triodos-Bank finanziert. Die Frankfurter Filiale des aus Holland stammenden Unternehmens möchte künftig noch mehr in so­ziales Wohnen investieren, etwa in Mehrgenerationenhäuser.

Als Rendite-Objekt oder Absicherung fürs Alter sieht Weckmann seine Investition nicht. „Das Haus gehört zum Firmenvermögen. Das passt zum nachhaltigen Wirtschaften, wie es in  Familienunternehmen üblich ist“, sagt Weckmann. Dass sein Beispiel Vorbild für Nachahmer sein könnte, hält der Bäcker für realistisch: „Gerade in der Öko-Branche gibt es viele sozial engagierte Unternehmer. Und die Umsätze entwickeln sich gut. Bei Öko ist die Luft noch lange nicht raus!“ n

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