In der Ukraine findet ein Machtwechsel statt. Möglich wurde das auch durch die Vermittlung des deutschen Außenministers Steinmeier und seiner Kollegen aus Polen und Frankreich. Doch die Lage in der Ukraine ist noch lange nicht stabil.
Das alte Machtsystem in der Ukraine ist explodiert. Ex-Präsident Viktor Janukowitsch wird mit einem Haftbefehl wegen „Massenmords“ gesucht. Der Gesuchte ist verschwunden. Er soll sich auf der Krim aufhalten. Seine politischen Mitstreiter sind abgesetzt, versuchen, die Ukraine zu verlassen oder sind zur Opposition übergelaufen. In Kiew wird eine Übergangsregierung der nationalen Versöhnung gebildet. Die wird nicht nur die Menschen im Westen, Osten und Süden versöhnen, sondern auch das Land aus dem Staatsbankrott führen müssen. Insgesamt 35 Milliarden Euro sind nach offiziellen Angaben dazu nötig.
Der Albtraum des „schwarzen Donnerstags“ ist noch längst nicht vorüber. Es wird dauern, die Folgen zu bewältigen. Alleine werden das die Ukrainer nicht schaffen. Deutschland, Polen und andere EU-Staaten werden helfen müssen. Wenn es irgendwie geht in Zusammenarbeit mit Russland.
Erler: „erfreulicher Wechsel in der russischen Politik“
Gernot Erler, der Ostbeauftragte der Bundesregierung, sagte in einem Interview des Deutschlandfunk dazu: „Zunächst einmal glaube ich schon, dass wir einen Wechsel in der russischen Politik gehabt haben, der erfreulich ist. Denn eine Zeit lang wurde nur von Staatsstreich geredet, was ja indirekt sogar auch eine Legitimation bedeutetet für das harte Vorgehen mit Sicherheitskräften in Kiew.“ Dann habe Moskau den Menschenrechtsbeauftragten Wladimir Lukin nach Kiew geschickt und sich konkret in die Gespräche in der vergangenen Woche eingeschaltet und am Ende das Abkommen mit unterzeichnet.
Wohl selten in der internationalen Politik hat es ein Abkommen gegeben, das nur 36 Stunden in Kraft war und soviel Wirkung gezeigt hat: Es hat zu einer radikalen politischen Wende, der Auflösung des alten politischen Systems, in der Ukraine beigetragen. Darin liegt der Erfolg der 22-stündigen Unterredungen des französischen Außenministers Laurent Fabius, seines polnischen Kollegen Radoslav Sikorski und Frank-Walter Steinmeiers mit dem Maidan-Rat, den Führern der Opposition und Viktor Janukowitsch. Dieses Abkommen, das vor allem die Rückkehr zur Verfassung von 2004 vorsieht, war der entscheidende Wendepunkt, nachdem Janukowitsch mit Scharfschützen auf dem Maidan auf die Demonstranten hatte schießen und mehr als 80 von ihnen hatte töten lassen.
Steinmeier und Sikorski haben viel geleistet
Vor allem Außenminister Sikorski und Frank-Walter Steinmeier haben eine Menge riskiert. Das Verhandlungsergebnis hätte scheitern können, wenn die Situation in Kiew aus dem Ruder gelaufen wäre oder wenn die Mitglieder des Maidan-Rates nicht zugestimmt hätten, was sie ursprünglich vorgehabt haben. Zuverlässigen Informationen zufolge redete zunächst Sikorski in Englisch auf die Maidan-Vertreter ein: „Wir stehen hier, ihr könnt uns für Versager halten, aber ich sage euch, etwas Besseres als wir ausgehandelt haben, bekommt ihr nicht.“ Und Steinmeier hielt ihnen entgegen, dass die Ukraine am Abgrund stünde. Bürgerkrieg und Anarchie drohten. Das müsse verhindert werden.
Jetzt muss davor gesorgt werden, dass die Ukraine wirtschaftliche stabilisiert wird und nicht auseinander bricht: „Richtschnur aller politischen Entscheidungen muss der Erhalt der territorialen Integrität und der nationalen Einheit sein, sagte Steinmeier, der voraussichtlich sehr bald wieder in Kiew sein wird. Hoffnungsvolle Worte kamen unterdessen von der Krim. Deren Ministerpräsident Anatolij Mogiljow, erklärte: „Die Krim ist unabänderlicher Bestandteil der Ukraine. Dies ist eine historische Tatsache, die nicht davon abhängt, was irgendjemand wünscht oder nicht wünscht.“
Hintergrund:
"Was wir in der Ukraine aktuell erleben ist bisher sicher keine Revolution, sondern ein Elitenwechsel", sagt Stephan Meuser, Leiter des Büros der Friedrich-Ebert-Stiftung in Kiew.
ist Journalist, Gast-Dozent für Fernsehdokumentation und -reportagen an der Berliner Journalistenschule und an der Evangelischen Journalistenschule in Berlin sowie Honorarprofessor im Studiengang Kulturjournalismus an der Berliner Universität der Künste (UdK).