Der nordrhein-westfälische Wirtschaftsminister Garrelt Duin ist derzeit in Tokyo und Fukushima unterwegs. Dort haben sich die Bürger "das ehrgeizige Ziel gesetzt, bis 2040 ihren Energiebedarf vollständig aus Erneuerbaren zu decken", sagt Duin. Was selbstverständlich klingt, wird im Land kontrovers diskutiert, erklärt Duin im Interview mit vorwärts.de.
vorwärts: Wie fühlen Sie sich, wenn Sie durch Fukushima gehen?
Garrelt Duin: Wer mach Fukushima kommt, der stellt schnell fest: Auch nach drei Jahren sind die Folgen des Tsunami und der Reaktorkatatrophe lange nicht bewältigt. Tausende leben noch immer in Behelfsunterkünften. Ihre Not gerät langsam in Vergessenheit - übrigens auch in Japan selbst, wie meine Gesprächspartner einräumen.
Was ist Ihr Eindruck vom Leben nach der Katastrophe?
In Tokio scheint das Leben völlig normal. Der Wirtschaft geht es recht gut, auch wenn die Wachstumshoffnungen der Regierung nicht ganz aufgegangen sind. Japan ist ein wohlhabendes, bestens organisiertes Land mit vorbildlicher Infrastruktur. Der berühmte Shinkansen-Schnellzug hält auf die Minute pünktlich und das auch in Fukushima. Der Gouverneur Yuhei Sato betont im Gespräch eindringlich, dass seine Stadt lebenswert ist. Doch sie hat mit einer schrumpfenden Bevölkerung zu kämpfen, wie übrigens das ganze Land. Der Gouverneur will nun die Wirtschaft ankurbeln, indem er sich auf zwei Wachstumsfelder konzentriert: den Ausbau der Erneuerbaren Energien und die Gesundheitswirtschaft. Genau in diesen Sektoren sind wir in NRW stark und wollen eng mit der Region zusammenarbeiten.
Wird offen über die gesundheitliche Bedrohung und über Ängste geredet?
Die Präfektur hat offen darüber informiert, welche Landstriche vorübergehend oder dauerhaft unbewohnbar sind. Was das für die Menschen bedeutet, die dort ihre Häuser und ihre Heimat verloren haben, das kann man sich leicht ausmalen.
Eines haben die Bürger ganz klar: Sie wollen komplett aus der Atomkraft aussteigen und haben sich das ehrgeizige Ziel gesetzt, bis 2040 ihren Energiebedarf vollständig aus Erneuerbaren zu decken. Das klingt selbstverständlich, ist es aber nicht: Im übrigen Land wird darüber kontrovers diskutiert. Und für 17 Atomkraftwerke haben die Stromversorger Anträge auf einen Wiederanschluss ans Netz gestellt.
Womit stützt das Land Nordrhein-Westfalen den Wiederaufbau?
NRW hilft jetzt nicht etwa dabei, zerstörte Häuser wieder auf zu bauen, das nicht. Wir wollen vielmehr in den Wachstumsbranchen Erneuerbare Energien, Gesundheitswirtschaft und Medizintechnik eng kooperieren. Das beiderseitige Interesse daran ist sehr groß, bei Unternehmen und Forschungseinrichtungen. Diese Chancen können und wollen wir in gemeinsamem Interesse nutzen, haben der Gouverneur und ich verabredet. Eine entsprechende Vereinbarung wird in den kommenden Wochen und Monaten erarbeitet und im Herbst unterzeichnet. Von dieser Initiative profitieren die Menschen in NRW und Fukushima.
hat Politikwissenschaft und Philosophie in Berlin studiert und ist Redakteurin beim vorwärts.