Dass sie kommt, ist klar. Über das Wie herrscht dagegen noch Uneinigkeit. Am Freitag starten drei Bundesländer eine Initiative zur Einführung der doppelten Staatsbürgerschaft. Die Pläne von Bundesinnenminister Thomas de Maizière gehen ihnen nicht weit genug.
Normalerweise sind die monatlichen Sitzungen des Bundesrats eher unaufregend. Gesetze werden nicht groß diskutiert, die Redekultur ist eher nüchtern. Debatten wie sie im nur wenige Gehminuten entfernten Bundestag an der Tagesordnung sind, gibt es nicht. Das könnte an diesem Freitag ein wenig anders werden.
Gleich vier Redner haben bereits angemeldet, zu Tagesordnungspunkt 42 sprechen zu wollen: Baden-Württembergs Ministerpräsident Winfried Kretzschmann (Grüne) ebenso wie seine Integrationsministerin Bilkay Öney (SPD), Hessens Ministerpräsident Volker Bouffier (CDU) und Schleswig-Holsteins Innenminister Andreas Breitner.
Zwei Pässe bei Geburt in Deutschland
Es geht um einen Gesetzentwurf, den Baden-Württemberg, Rheinland-Pfalz und Schleswig-Holstein gemeinsam in die Länderkammer einbringen und der schon im Vorfeld für Ärger gesorgt hat. Der Grund: Die drei rot-grün bzw. grün-rot regierten Länder wollen die so genannte Optionspflicht abschaffen, die in Deutschland geborene Migrantenkinder bisher zwingt, sich bis zum 23. Geburtstag für den deutschen oder einen ausländischen Pass zu entscheiden. Nach Vorstellung des Länder-Trios soll künftig die Geburt in Deutschland ausreichen, um zwei Pässe zu erhalten.
Zwar haben sich SPD und CDU/CSU im Koalitionsvertrag im Bund für eine Abschaffung der Optionspflicht ausgesprochen und Bundesinnenminister Thomas de Maizière hat auch bereits einen ersten Gesetzentwurf vorgelegt, doch der reicht den drei Ländern nicht aus. „Aus unserer Sicht besteht Verbesserungsbedarf“, sagt Baden-Württembergs Integrationsministerin Bilkay Öney. „Wir wollen eine gerechte, einfache und klare Lösung. Und die heißt: Abschaffung der Optionsregelung.“
Die gibt es nach den Plänen de Maizières nämlich nicht für alle. Der Gesetzentwurf sieht vor, dass Kinder von Zuwanderern die doppelte Staatsbürgerschaft nur erhalten, wenn sie in Deutschland geboren wurden und aufgewachsen sind. So müssen sie mindestens zwölf Jahre in Deutschland gelebt haben oder einen deutschen Schulabschluss vorweisen.
Bürger erster, zweiter und dritter Klasse?
Für Schleswig-Holsteins SPD-Chef Ralf Stegner ist de Maizières Vorschlag „noch nicht der Weisheit letzter Schluss, sondern ein erster Entwurf. Der kann noch verbessert werden.“ Und Bilkay Öney klagt, die Betroffenen würden nach den Plänen „in drei Klassen gegliedert: erstens EU-Bürger, zweitens Nicht-EU-Bürger, die hier geboren und überwiegend aufgewachsen sind oder einen deutschen Schulabschluss haben, und drittens Nicht-EU-Bürger, die hier geboren, aber weder hier überwiegend aufgewachsen sind noch einen deutschen Schulabschluss haben.“
In den vergangenen Wochen hatte es zum Teil heftige Kritik aus Reihen der CDU gegeben, die der SPD aufgrund des Ländervorstoßes Vertragsuntreue vorwarf. Ralf Stegner kann das nicht nachvollziehen. „Wenn die CSU zig Ausnahmen vom Mindestlohn fordert, widerspricht das dem Koalitionsvertrag – nicht, wenn einzelne Bundesländer eine Gesetzesinitiative startet, die der Linie der Bundesregierung entsprechen“, sagt er.
Die übrigen Länder halten sich bedeckt
Mit dem Koalitionsvertrag zwischen SPD und CDU/CSU im Bund würden die Koalitionsverträge in den Bundesländern nicht außer Kraft gesetzt. „Deshalb ist es aus meiner Sicht vollkommen normal, dass Bundesländer das versuchen umzusetzen, was sich die dort regierenden Parteien vorgenommen haben.“
Eine große Aussicht auf Erfolg gibt es für die Initiative allerdings wohl nicht. Die übrigen Bundesländer halten sich eher bedeckt. Niedersachsen etwa hat bewusst darauf verzichtet, sich an der Initiative zu beteiligen, obwohl Rot-Grün auch hier die doppelte Staatsbürgerschaft seit langem fordert. Hier geht man davon aus, dass sich der Gesetzentwurf de Maizières noch in wesentlichen Punkten verändern wird. Die Initiative aus Baden-Württemberg, Rheinland-Pfalz und Schleswig-Holstein, die am Freitag aller Voraussicht nach in die Ausschüsse verwiesen wird, hätte darauf dann immerhin inhaltlich noch Einfluss.
Dirk Bleicker | vorwärts
ist stellvertretender Chefredakteur des vorwärts. Er betreut den Bereich Parteileben und twittert unter @kai_doering.