Am Tag nach der Abstimmung auf der Krim herrscht in Kiew Fassungslosigkeit. Die unter sehr merkwürdigen Umständen zustande gekommene Regionalregierung in Simferopol hat offiziell die Aufnahme der Schwarzmeerhalbinsel in die Russische Föderation beantragt.
Die Bundesregierung erkennt das Referendum nicht an. Die EU will ein starkes Signal in Richtung Russland senden und dessen Präsident Wladimir Putin will morgen vor beiden Häusern des Parlaments zur Lage in der Ukraine und auf der Krim Stellung nehmen. Es sieht so aus, als wolle Russland die Krim so rasch wie möglich aufnehmen. Die US-Regierung will scharfe Sanktionen gegen Moskau. Der deutsche Außenminister Frank-Walter Steinmeier forderte Russland auf, umgehend eine Beobachtermission in der Ukraine zuzulassen.
Die Lage ist heikel, vor allem aber ist sie gefährlich: „Wir haben die Konfrontation nicht gesucht,“ sagte Steinmeier vor seinem Abflug nach Brüssel in Berlin: „Aber wenn Russland nicht einlenkt, werden wir im Kreis der EU-Außenminister eine entsprechende Antwort geben.“ Gleichlautend äußerten sich in Brüssel die Außenbeauftragte der EU, Catherine Ashton, und der britische Außenminister William Hague: „Wir werden ein starkes Signal in Richtung Moskau senden. Die diplomatischen Kanäle nach Russland bleiben offen.“ Dieses Signal folgte am ersten Tag der Woche:
EU verhängt Einreiseverbote
Trotz mancher Bedenken, vor allem der Regierungen in Prag und Wien, einigten sich die Außenminister der Europäischen Union auf eine gemeinsame Liste. Auf der stehen die Namen von 21 Personen aus Russland und der Ukraine, gegen die Einreiseverbote verhängt und deren Konten im Westen gesperrt werden. Die Namen der Betroffenen sollen bis auf Weiteres nicht bekannt gegeben werden. Besonders die USA, Polen, die drei baltischen Staaten und Schweden hätten sich härtere Maßnahmen gegen Russland nach der Abstimmung auf der Krim gewünscht. Problematisch sind die Sanktionen vor allem für die sozialistische Regierung in Paris. Vor der Küste der Bretagne werden in diesen Wochen zwei konventionell angetriebene Hubschrauberträger der Mistral-Klasse getestet, die für Russland bestimmt sind. Eines dieser Kriegsschiffe trägt den Namen „Sewastopol“ und soll nach der Auslieferung zur Schwarzmeerflotte gehören.
Russland empfindet diese angedrohten Strafmassnahmen als kontraproduktiv, will jedoch weiter mit Berlin, Brüssel und Washington in Kontakt bleiben. Sehr wahrscheinlich wird es zwar nun doch eine OSZE-Beobachtergruppe und auch eine internationale Kontaktgruppe für die Ukraine geben, doch „realpolitisch muss man der Wahrheit ins Auge sehen,“ sagte Jean Asselborn, der Außenminister Luxemburgs. Das heißt: Die Krim ist nicht im ukrainischen Staatsverband zu halten. Es wird nun darauf ankommen, den Rest des schwer erschütterten Landes zusammen zu halten. Das wird schwierig genug. Es ist nicht sicher, was der russische Präsident und seine Militärberater vorhaben.
Greift Russland jetzt nach weiteren Gebieten?
Werden sie den Osten der Ukraine destabilisieren, wonach es in acht Regionen derzeit ausschaut? Das macht der schwachen und unerfahrenen Übergangsregierung in Kiew derzeit, neben der Angst, die Russen könnten die Ostukraine annektieren, die meisten Sorgen. Nach zuverlässigen Informationen sind an der russisch-ukrainischen Grenze etwa 80 000 Soldaten mit Panzern, Artillerie und Raketenwerfern stationiert. Auf der Krim sind es wenigstens 20 000 Fallschirmjäger, Infanteristen und Speznaz-Spezialeinheiten.
Nach einer Sondersitzung sagte der ukrainische Ministerpräsident Arseni Jazenjuk: „Wir schaffen einen Reservefonds, dessen Mittel für die Mobilmachung, Modernisierung und Verbesserung der Kampfbereitschaft verwendet werden.“ Die Streitkräfte werden teilmobilisiert. Alle Seiten sagen, sie wollen keinen Krieg.
ist Journalist, Gast-Dozent für Fernsehdokumentation und -reportagen an der Berliner Journalistenschule und an der Evangelischen Journalistenschule in Berlin sowie Honorarprofessor im Studiengang Kulturjournalismus an der Berliner Universität der Künste (UdK).