Geschichte

Gabriel warnt vor dem Geist von 1914

von Carl-Friedrich Höck · 14. April 2014

Auf einer Gedenkveranstaltung der SPD zum Ersten Weltkrieg haben Sigmar Gabriel, Martin Schulz und der französische Premierminister Manuel Valls die Bedeutung eines vereinten Europas hervorgehoben. Sie zogen Parallelen zur Ukraine-Krise und übten harsche Kritik an Russland. 

Die SPD wählte für ihre Gedenkveranstaltung zum Ersten Weltkrieg einen symbolträchtigen Ort: Die Französische Kirche in Berlin, die vor mehr als 200 Jahren von französischen Hugenotten gegründet wurde. Die Aussöhnung zwischen Deutschen und Franzosen stand am Montag im Mittelpunkt des Gedenkens.

SPD-Chef Sigmar Gabriel bezeichnete den Ersten Weltkrieg in seiner Rede als einen „abgrundtiefen Niedergang“ und als „Urkatastrophe des 20. Jahrhunderts“. In seiner Folge seien Länder willkürlich aufgeteilt worden, etwa im Nahen Osten. Auch hätten der Krieg und der Versailler Vertrag den Boden für den Aufstieg des Nationalsozialismus bereitet. An den französischen Premierminister Manuel Valls gerichtet sagte er: Erst nach dem Zweiten Weltkrieg „ist die Freundschaft zwischen unseren beiden Ländern behutsam gewachsen.“

Auch die Einheit der internationalen Arbeiterbewegung sei dem Ersten Weltkrieg zum Opfer gefallen, merkte Gabriel an. Als eine Lehre aus dem Krieg sei die Idee der „Vereinten Staaten von Europa“ entstanden, wie sie die SPD in ihrem Heidelberger Programm von 1925 forderte. Die Europäische Union sei ein Jahrhundertprojekt, das sieben Jahrzehnte Frieden und relativen Wohlstand ermöglicht habe.

Gabriel: „Der alte Geist ist aus der Flasche“

Doch nun drohten die Lehren der Weltkriege zu erblassen, warnte Gabriel und nannte den Konflikt um die Ukraine als Beispiel. Russland habe „den alten Geist der nationalistischen Mächtepolitik wieder aus der Flasche gelassen“ und sei bereit, seine Panzer wieder über europäische Grenzen rollen zu lassen. Die EU müsse nun ihre Grundwerte über wirtschaftliche Interessen stellen. „Wir müssen bereit sein, auf wirtschaftliche Vorteile durch Russland solange zu verzichten, bis Konflikte wieder am Verhandlungstisch gelöst werden“, sagte Gabriel.

Auch der französische Premier Valls warnte: „Die Zerbrechlichkeit des Friedens wird einem erst bewusst, wenn es zu spät ist.“ Die Europäische Union müsse Stellung beziehen zu den Konflikten in der Welt. Und ein starkes Europa brauche ein starkes deutsch-französisches Tandem. „Die einstigen Erbfeinde sind nun unerlässliche Partner geworden“, so Valls.

Auch der Gast aus Frankreich betonte die friedenserhaltende Funktion der Europäischen Union. Die gemeinsame Währung sei eben nicht nur ein Zahlungsmittel, sondern ein täglicher Beweis des gegenseitigen Vertrauens. Die EU dürfe aber nicht als abstrakte Einheit wahrgenommen werden, sondern müsse ein lebendiges, demokratisches Konstrukt sein. Dazu brauche es Reformen, damit zum Beispiel kein europäisches Sozialstaatsmodell gegen das andere ausgespielt werden kann.

Valls rief zum Kampf gegen Nationalismus und Populismus auf und forderte, Europa wieder mehr in die Herzen der Menschen zu bringen. „Man spricht oft vom alten Europa. Aber Europa ist weder alt noch jung. Europa ist ein Ideal“, sagte Valls.

Versöhnung als Geschenk

Daran knüpfte Martin Schulz an. Die langwierigen Diskussionen auf einer Sitzung des Europarats könnten „nervtötend“ sein, gestand der Spitzenkandidat der europäischen Sozialdemokraten für die Europawahl ein. „Aber in der Totenstille der Felder von Verdun wird einem klar, dass wir die Marathonsitzungen mit Freuden auf uns nehmen sollten.“ Die französische Nation habe Deutschland ein großes Geschenk gemacht, als es ihm nach dem Zweiten Weltkrieg die Hand zur Versöhnung reichte.

Auch Schulz zog Parallelen zwischen 1914 und dem aktuellen Konflikt um die Krim. Damals habe sich niemand mehr ernsthaft um eine Verhandlungslösung bemüht, stattdessen hätten alle Nationen den jeweils anderen Kriegstreiberei unterstellt. Schulz mahnte an: „Wir müssen aufpassen, nicht schlafwandlerisch in einen neuen Konflikt zu geraten. Deshalb müssen wir die Gesprächskanäle zu Russland offen halten.“ Dennoch übte Schulz deutliche Kritik an Russland: „Zum ersten Mal seit dem Ende des Kalten Krieges hat ein Staat einen Teil eines anderen Staates wieder mit Gewalt annektiert.“

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Carl-Friedrich Höck

arbeitet als Redakteur für die DEMO – die sozialdemokratische Fachzeitschrift für Kommunalpolitik.

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