Kultur

Der Erste Weltkrieg in Farbe

von Carl-Friedrich Höck · 11. April 2014

Dass es Farbfotos vom Ersten Weltkrieg gibt, ist jahrzehntelang in Vergessenheit geraten. Eine Auswahl wird jetzt im Willy-Brandt-Haus in Berlin gezeigt. Bei der Ausstellungseröffnung am Donnerstag ging es auch um die Frage: Warum hat die SPD damals den Kriegskrediten zugestimmt?

Der Erste Weltkrieg offenbarte die Kehrseiten des technischen Fortschritts. Knapp 15 Millionen Menschen fielen den neuen Waffen zum Opfer. Der Erste Weltkrieg war aber auch der erste moderne Medienkrieg in der Geschichte. Was heute kaum noch jemand weiß: Es gab damals bereits Farbfotografien. Sie wurden für die Propaganda der verschiedenen Armeen aufgenommen. Jahrzehntelang lagerten sie in Archiven und Sammlungen. Einige von ihnen hat der Galerist Reinhard Schulz aufgespürt. Im Willy-Brandt-Haus werden sie nun gezeigt.

Zu sehen sind französische Soldaten in blauen Uniformen, die zwei mit Blumen geschmückte Särge gefallener Kameraden beisetzen. Oder drei kleine Jungen in Frankreich, die die Gefangennahme eines deutschen Soldaten nachspielen. Einer von ihnen steht mit erhobenen Armen vor einer Wand, auf dem Kopf ein zur Pickelhaube umfunktionierter Hut, die anderen beiden zielen mit Holzgewehren auf ihn. Ein weiteres Foto zeigt eine Gruppe indischer Infanteristen im Schneidersitz. Mit imposanten Turbanen auf dem Kopf blicken sie ernst in die Kamera.

Die Fotos zeigen mal eine trügerische Kriegsidylle, mal das ganze Grauen des Massentötens. „Furchtbare Waffen produzierte nicht nur die Rüstungsindustrie, sondern auch die Propaganda“, sagte Gisela Kayser bei der Ausstellungseröffnung. Sie ist die künstlerische Leiterin des „Freundeskreises Willy-Brandt-Haus“, der die Ausstellung organisiert hat. Einem Foto hätten die Menschen damals noch mehr geglaubt als heute. Mit Retuschen und Fälschungen hätten die Armeen sich das für ihre Zwecke zunutze gemacht und Hass auf den Gegner gesäht. Dieses Wissen sollte man im Kopf behalten, wenn man die Bilder im Willy-Brandt-Haus betrachtet. Denn weiterführende Hintergrundinformationen zu den einzelnen Bildern fehlen leider oft.

„Die einzige Friedensbewegung“

Wenn in der SPD-Zentrale eine Ausstellung über den Ersten Weltkrieg gezeigt wird, drängt sich die Frage nach der damaligen Rolle der Sozialdemokraten auf. Diese beleuchtete während der Ausstellungseröffnung der Historiker Peter Brandt. Vor dem Krieg „war die Sozialdemokratie in allen Ländern die einzige ernstzunehmende Friedensbewegung“, erklärte Brandt. Noch kurz vor dem Kriegsausbruch organisierten Sozialdemokraten in Deutschland und Frankreich Massendemonstrationen für den Frieden.

Warum aber stimmte die SPD dann den Kriegskrediten zu? Dafür sieht Brandt mehrere Gründe. Die deutschen Sozialdemokraten hätten sich im August 1914 in einem Verteidigungskrieg gewähnt, erklärte der Historiker. Die Vorstellung, sich im Kriegsfall insbesondere gegen Russland verteidigen zu müssen, habe in der deutschen Sozialdemokratie eine lange Tradition gehabt. Schließlich galt der russische Zarismus als Gegenpol zur deutschen Sozialdemokratie, der damals stärksten der Welt. Auch patriotische Gefühle hätten eine Rolle gespielt. Falsch sei aber die Legende, dass die Masse der Arbeiter im August 1914 in Kriegsbegeisterung verfallen sei, sagte Brandt.

Ein Streik war der SPD zu abenteuerlich

Die in der Sozialistischen Internationale diskutierte Idee, den Krieg durch einen internationalen Generalstreik zu verhindern, hätten die deutschen Sozialdemokraten „für abenteuerlich gehalten“, so Brandt weiter. Überlegungen, dass die deutschen und französischen Sozialdemokraten sich bei den Abstimmungen über die Kriegskredite wenigstens enthalten könnten, hätten die Franzosen zurückgewiesen.

Das Ergebnis: In der ersten Reichstagsabstimmung über Kriegskredite stimmte die SPD geschlossen dafür. Doch die kritischen Stimmen mehrten sich im Verlauf des Krieges, zumal offensichtlich wurde, dass die deutsche Militärführung und der Kaiser mehr anstrebten, als nur das eigene Territorium zu verteidigen. Bei jeder weiteren Abstimmung über Kriegskredite nahm die Zahl der sozialdemokratischen Gegenstimmen zu. Schließlich kam es im Streit um die Kriegskredite sogar zur Spaltung der Partei: 1917 gründete sich die USPD, der vor allem Kriegsgegner angehörten.

Die Entscheidung für die Kriegskredite bezeichnete Peter Brandt als Fehler. Er ergänzte aber: „Man sollte die Sozialdemokraten trotz dieser Entscheidung nicht zu den eigentlichen Schurken des Ersten Weltkrieges erklären.“

Hinweise zur Ausstellung:
Dienstag bis Sonntag 12 bis 18 Uhr
Eintritt frei
Ausweis erforderlich
Link: Willy Brandt Haus

 

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Carl-Friedrich Höck

arbeitet als Redakteur für die DEMO – die sozialdemokratische Fachzeitschrift für Kommunalpolitik.

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