Ein verzweifelter Hilferuf aus der syrischen Stadt Aleppo erreichte Weihnachten das Lew Kopelew Forum in Köln, geschrieben von Dr. Ammar Zakaria. Zakaria ist einer jener Ärzte, die das Forum im vergangenen November für ihr Engagement in vom syrischen Bürgerkrieg zerstörten Aleppo mit seinem Menschenrechtspreis ausgezeichnet hatte.
„Ich habe keine Worte mehr, um das zu beschreiben, was wir hier erleben. Ich kann Euch nur noch bitten, betet für uns.“ So endet ein verzweifelte Hilferuf aus Aleppo, der Weihnachten das Lew Kopelew Forum in Köln erreichte, geschrieben von Dr. Ammar Zakaria, einem jener Ärzte also, die das Forum im vergangenen November für ihr Engagement in Aleppo mit seinem Menschenrechtspreis ausgezeichnet hatte.
„Ich bin so erschöpft“, schreibt Zakaria, in den vergangenen Wochen habe er sein Krankenhaus praktisch nicht mehr verlassen. Zu viele Verletzte, zu viele Sterbende. Seit Mitte Dezember kommen täglich die Hubschrauber Assads und werfen aus großer Höhe über den Wohngebieten der Stadt sogenannte Fassbomben ab. Das sind mit Sprengstoff und Eisenteilen gefüllte Ölfässer, die eine große Zerstörungskraft haben. Eine billige aber äußerst wirkungsvolle Waffe. Mehr als 350 Menschen seien in der ersten Woche dieser Bombardierung getötet worden, darunter viele Kinder - selten Kämpfer. „Sie zielen auf zivile Einrichtungen, auf Marktplätze, auf Busstationen, sogar mein Krankenhaus haben sie angegriffen“, schreibt der Arzt verzweifelt.
Militärische Anlagen wie die Stellungen der Freien Syrischen Armee dagegen würden die Piloten offensichtlich nicht interessieren. „Das ist ein Massaker an der zivilen Bevölkerung. Kein Krieg gegen Militär oder Terroristen, wie Assad immer behauptet.“ Eine dieser tödlichen Fässer hatte eine Schule getroffen. Sechs Schüler und vier Lehrer starben. Eine andere explodierte auf einem belebten Markt, auf dem Aleppiner sich gerade mit Gemüse und Obst versorgen wollten. Die meisten Opfer – Frauen und Kinder. Dieser Markt liegt weit entfernt von jeder militärischen Einrichtung, schreibt Ammar. Assad selber ist es also, der seine eigene Bevölkerung mit solchen Fassbomben terrorisiert.
Er habe aufgehört die Amputationen zu zählen, die er nach solchen Überfällen aus der Luft vornehmen müsse, schreibt der Arzt. Schrapnellwunden, schwere Hirnverletzungen, klaffende Wunden im Bauchbereich. Das ist der Alltag des gerade mal 33 jährigen früheren Armeearztes, der vor zwei Jahren zu den Rebellen übergelaufen ist. Der Auslöser: sein Kommandant hatte von ihm verlangt, er solle alle Demonstranten töten, die die Sicherheitskräfte in sein Militärkrankenhaus einlieferten.
Seit seinem Seitenwechsel versucht Ammar Zakaria, im umkämpften Aleppo wenigstens den Betrieb von ein paar Krankenhäusern aufrecht zu erhalten. Gerade mal 30 Ärzte arbeiten mit ihm zusammen, die meisten der früher in der Millionenmetropole praktizierenden Ärzte sind ins Ausland geflohen. Eine Herkulesaufgabe also, die jeden Mediziner schnell in Lebensgefahr bringen kann; denn Krankenhäuser zu zerstören, ist Teil von Assads Strategie. Genauso lässt er Wasserwerke, Bäckereien oder Elektrizitätswerke angreifen. Das Rebellenland soll unbewohnbar gemacht, die Bevölkerung abgestraft werden.
Viele Patienten könnten erst gar nicht versorgt werden und stürben in den Fluren der wenigen Krankenhäuser, sie hätten einfach nicht genügend Personal und Betten, beschreibt Zakaria die Lage in seinem Hospital. Medikamente gingen ohnehin aus. Ammar Zakaria ruft in seiner E-mail verzweifelt um Hilfe. Doch Hilfe von außen kommt kaum noch nach Aleppo. Zu groß ist die Gefahr, als Ausländer von den dort dominierenden Al-Kaida-Gruppen entführt und getötet zu werden. Selbst Zakaria hatte mir bei einer Begegnung im November dringend davon abgeraten, nach Aleppo zu reisen. Die größte Stadt Syriens also in einer Teufelsfalle: Assads Luftwaffe bombardiert sie regelmäßig von oben, islamistische Extremisten isolieren sie nach außen.
Besser kann es für Assad kaum laufen wenige Wochen vor der geplanten „Friedenskonferenz“ in der Schweiz. Er werde an der Konferenz teilnehmen, hatte er in einem Brief an den Papst in der Weihnachtswoche versichert und sich für dessen Friedensbotschaft am Heiligen Abend bedankt. Allerdings ist „die Bekämpfung des Terrorismus, der auf die Bürger abziele, der entscheidende Faktor für die Herbeiführung einer friedlichen Lösung“, schreibt er.
Welche Terroristen er damit wohl meint? Die von ihm befohlenen Angriffe, die auf die Bürger in Aleppo abzielen, gehen jedenfalls weiter. Bis zum letzten Tag des alten Jahres haben Beobachter mehr als 500 Tote gezählt, die in den vergangenen zwei Wochen allein in dieser Stadt durch Fassbomben getötet worden seien. „Ein Massaker“ nennt es Doktor Ammar: „Das ist Terrorismus!“ Weiter schreibt er: „Wir schreien, aber niemand hört uns.“