Inland

Gericht billigt Verbot von Leerverkäufen

von Christian Rath · 19. September 2014

Großbritannien scheitert mit einer Klage zum Schutz des Finanzzentrums London. Das Verbot von sogenannten ungedeckten Leerverkäufen soll Spekulation gegen Staaten eindämmen. SPD-Vize Schäfer-Gümbel begrüßt das Urteil.

Die EU durfte im Kampf gegen die Finanzkrise ungedeckte Leerverkäufe von Wertpapieren verbieten. Eine dagegen gerichtete Klage Großbritanniens wurde jetzt vom Europäischen Gerichtshof (EuGH) überraschend abgewiesen. Dies stärkt die Handlungsmöglichkeiten der EU-Behörden gegen Finanzspekulanten.

Ungedeckte Leerverkäufe von Wertpapieren ermöglichen Spekulanten, mit dem Einsatz von wenig Geld die Aktien von Unternehmen oder die Anleihen von Staaten unter Druck zu setzen. Sie stehen daher unter dem Verdacht, Krisen massiv zu verschärfen und die Instabilität der Finanzmärkte zu erhöhen.

Ein Leerverkauf liegt vor, wenn ein Wertpapier verkauft wird, das der Verkäufer noch gar nicht besitzt. Er spekuliert dabei auf sinkende Kurse. Normalerweise leiht sich der Verkäufer das Wertpapier für diesen Zweck. Bei "ungedeckten" Leerverkäufen spart sich der Verkäufer sogar die Leihgebühr und muss fast gar nichts investieren, um seine riskanten Geschäfte zu machen.

Deutschland bei Verbot Vorreiter

Die deutsche Finanzaufsichtsbehörde Bafin hat im Sommer 2010 einen Großteil solcher ungedeckten Leerverkäufe verboten. Dem deutschen Alleingang folgten Italien, Belgien, Spanien und Frankreich. Erst 2012 kam es zu einem europaweiten Verbot ungedeckter Leerverkäufe von Aktien, Anleihen und Kreditausfallversicherungen. Das Verbot wurde von der EU-Aufsichtsbehörde ESMA (European Securities and Market Authority) beschlossen. Diese war erst 2010 im Zuge der Finanzkrise gegründet worden und sitzt in Paris.

Kritiker monierten, das Verbot von ungedeckten Leerverkäufen habe nur symbolische Wirkung. Spekulanten fänden immer wieder neue Wege, um den Niedergang von Staaten zu beschleunigen und an ihm zu verdienen. Außerdem wiesen Spekulanten nur auf tatsächlich bestehende Probleme hin.

Großbritannien klagte sogar gegen das Verbot der Leerverkäufe, weil ESMA ihre Befugnisse überschritten habe. Die Regierung Cameron lehnt generell Eingriffe der EU in die Finanzmärkte ab, weil dies dem Finanzzentrum London im globalen Wettbewerb schade.

Die Briten stützten sich auf ein EuGH-Urteil von 1958, wonach die EU an Einrichtungen mit Ermessensfreiheit keine Befugnisse delegieren darf. Dies gelte auch für die ESMA-Behörde.

Gericht folgt dem Gutachten des Generalanwalts nicht

Der unabhängige EuGH-Generalanwalt Niilo Jääskinnen unterstützte in seinem Gutachten die Briten. Das Verbot von Leerverkäufen diene nicht der Harmonisierung des Binnenmarkts. Es könnte daher nur einstimmig von den Mitgliedsstaaten beschlossen werden (was aber am britischen Veto scheitern würde).

Zur Überraschung vieler Beobachter folgte der EuGH diesmal nicht dem Generalanwalt. Die Maßnahmen der ESMA seien durch genügend Vorgaben eingegrenzt und gälten nur vorübergehend, so der EuGH. ESMA habe deshalb kein unzulässig weites Ermessen. Die britische Klage wurde in vollem Umfang abgelehnt.

Der SPD-Vizevorsitzende Thorsten Schäfer-Gümbel begrüßte das Urteil. „Eine stabile Finanzwirtschaft ist ein Eckpfeiler unserer Gesellschaft, der durch das fatale Instrument der Leerverkäufe nicht in Gefahr gebracht werden darf“, forderte er. Die Finanzwirtschaft müsse als Dienstleister von Wirtschaft und Gesellschaft fungieren und nicht als Kollektiv egoistischer Akteure. „Einigen wenigen Akteure der Branchen fehlt diese Einsicht trotz der dramatischen Krise weiterhin“ , sagte der hessische SPD-Landeschef. Deshalb sei die Regulierung der Finanzmärkte, wozu das Verbot von Leerverkäufen gehöre, so wichtig.

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Christian Rath

ist rechtspolitischer Korrespondent.

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