Julia Gerlach geht dahin, wo es wehtut. Hautnah erlebt sie die Revolution der arabischen Jugend. Sie ist noch da, als die anderen ausländischen Korrespondenten bereits abgereist sind. Über die Revolution in Ägypten, über die Hoffnungen und Ängste der Menschen und über die Ursachen des Aufstands hat sie das Buch „Wir wollen Freiheit!“ geschrieben.
Sie sind jung, sie sind viele und sie haben die Schnauze voll. So oder so ähnlich könnte man die ägyptische Jugend beschreiben. Gebildet, aber perspektivlos: Knapp ein Drittel der 15- bis 29-Jährigen hat ein „Diplom-Fachabitur“ in der Tasche. Das ist in Ägypten ein guter Abschluss, und doch machen die Diplomierten die Hälfte der Arbeitslosen aus. 16 Prozent der Jugendlichen zwischen 15 und 29 Jahren sind arbeitslos, inoffizielle Schätzungen gehen sogar von rund 30 Prozent Jugendarbeitslosigkeit aus.
Um die Zukunft betrogen
Hinzu kommt das Armutsproblem: rund 40 Prozent der Bevölkerung muss mit weniger als zwei Dollar pro Tag auskommen. Bei der Jugend schleicht sich das Gefühl ein, um die eigene Zukunft betrogen worden zu sein. Der Unmut über das autoritäre Regime, fehlende Meinungsfreiheit und Mitsprachemöglichkeiten der Bürger sind eine brisante Mischung, die das Fass zum Überkochen bringt.
Im Januar 2011 gehen mutige Ägypter auf die Straße. Das ist nicht ungefährlich. Viele Aktivisten werden verhaftet, berichten von Misshandlungen und Folter. Einige Frauen werden zum Jungfräulichkeitstest gezwungen. Das Militär dementiert die Vorwürfe. Das autoritäre Regime zeigt seine hässliche Fratze. Doch die ägyptische Gesellschaft befindet sich im Aufbruch. Sie zwingt Muhammad Hasni Mubarak zum Rücktritt. Die Welt schaut gespannt zu.
Die arabische Jugend kämpft für die Freiheit
Bisher hatte der Westen nur ein Datum im Kopf, wenn es um den islamischen Raum ging: den elften September 2001, den Tag der Anschläge auf das New Yorker World Trade Center. Nun wird der 25. Januar 2011 als Tag des Zorns in die Geschichtsbücher eingehen. Mit diesem Datum nehmen die Massenproteste in Ägypten ihren Lauf. Bis zu einer demokratischen Gesellschaft mit freien Wahlen ist es noch ein langer Weg, doch ein Anfang ist gemacht.
Die Ägypten-Korrespondentin Julia Gerlach legt ein durchaus lesenswertes Buch vor. Anschaulich geschrieben und leicht verständlich vermittelt sie den Lesern mit „Wir wollen Freiheit!“ ein umfassendes Bild der arabischen Revolution. Sie beleuchtet mit journalistisch-kritischer Distanz Hintergründe und liefert Fakten. Sie fragt nach dem Verhältnis von Religion und Revolution, erforscht die Rolle die Facebook für die Proteste gespielt hat und untersucht die Vorreiterrolle Tunesiens für den arabischen Frühling.
Julia Gerlach: „Wir wollen Freiheit! Der Aufstand der arabischen Jugend“ Herder Verlag, Freiburg 2011, 200 Seiten, 16,95 Euro, ISBN 978-3-451-33253-1