Arabischer Frühling und Black Power: Was kann die zeitgenössische Wut-Jugend von US-Bürgerrechtlern lernen? Der schwedische Filmemacher Göran Hugo Olsson hat ganz tief ins Archiv gegriffen.
Sein Name wurde zum Symbol für die innere Verfassung der USA: Mumia Abu-Jamal. Nach einem umstrittenen Prozess wartete der verurteilte Polizistenmörder 30 Jahre lang auf seine Hinrichtung. Anfang Dezember, nach jahrzehntelangen Protesten, die weit über Amerika hinausreichten, wurde seine Todesstrafe in lebenslänglich umgewandelt.
Die Solidaritätsbekundungen für Abu-Jamal haben nicht nur wieder einmal die Frage aufgeworfen, wie rassistisch das Rechtssystem im reichsten Land der Erde ist: Afroamerikaner stellen 13 Prozent der Bevölkerung, aber rund jeden zweiten Strafgefangenen. Sie ist auch eine Konsequenz der farbigen Bürgerrechts- und Selbstschutzbewegung, die sich in den 60er-Jahren Bahn brach: Black Power und Black Panther Party sind bis heute mächtige Symbole afroamerikanischer Emanzipation.
Was trieb ihre Schlüsselfiguren um? Warum ist die Sprengkraft ihrer Argumente bis heute ungebrochen? Diesen Fragen geht der Dokumentarfilmer Göran Hugo Olsson in „Black Power Mixtape 1967-1975“ auf den Grund. Und zwar mit einem ganz besonderen Zugang: In Archiven des schwedischen Fernsehens entdeckte er angeblich nie gezeigte 16-Millimeter-Reportage-Ausschnitte über die Hintergründe jenes Freiheitskampfs – gedreht von schwedischen Journalisten Ende der 60er- und Anfang der 70er-Jahre.
Revolution mit Abstand
In Interviews und Mitschnitten kommen Ikonen wie Angela Davis oder Stokely Carmichael zu Wort. Einige von ihnen befragte Olsson für die Vorbereitung seiner Dokumentation erneut, sodass die Veteranen von einst nicht nur den Kontext ihrer Positionen erklären, sondern auch den Bogen in die Gegenwart schlagen.
Das Ganze wird mit Schnipseln aus TV-Nachrichten und einem ebenfalls schwedischen Dokumentarfilm über den Wandel Harlems von der Black-Power-Hochburg zur Drogenhölle kombiniert – darin kurven Touristenbusse durch das New Yorker Quartier und lauschen den Horrorgeschichten des Fremdenführers. Fehlt nur noch eine Zutat für die „Mixtape-Methode“: die Musik. Die kommt vom Hip-Hopper Ahmir „Questlove” Thompson und weiteren Größen alternativer afroamerikanischer Sounds, insofern sich derlei stilistische Grenzen überhaupt noch ziehen lassen.
So lobenswert Olssons Ansatz, in Zeiten globaler Protestbewegungen an einen der wichtigsten Vorläufer in der westlichen Welt zu erinnern, ist, so wenig kann sein Film inhaltlich und vor allem ästhetisch überzeugen. Von einer halbwegs ambitionierten „Mischkassette“, wie sie bis weit in die 1990er-Jahre beliebt war, sollte man erwarten können, dass die Art ihrer Zusammenstellung zumindest in Ansätzen eine künstlerische Aussage erkennen lässt. Doch gerade das lässt Olsson vermissen. Über weite Strecken ist sein Film eher Flickwerk als Puzzle.
Voll auf Retro
Auch der Anspruch auf Authentizität ist arg konstruiert: Dass das äußerst grobkörnige Material über weite Strecken ungeschnitten, also auch mit etlichen Wiederholungen präsentiert wird, steigert keineswegs den Wahrheitsgehalt dessen, was zu sehen ist – zumal sich Elemente einer Sozialreportage, die den ungeschönten Blick pflegt, eher selten finden. Etliche Passagen tasten sich äußerst vorsichtig ans Thema heran, wirken naiv. Ob die Bild- und Tonqualität heutigen Kinogewohnheiten gerecht wird, wird sich zeigen: Cineastische Aha-Erlebnisse bietet diese stilisierte Retro-Schau kaum.
Es hätte diesem Dokumentarfilm gutgetan zu zeigen, wie sich Olsson seinem Stoff genähert hat. Wie sich der 1965 geborene Schwede schon als Student an weltweiten Protest- und Antikriegsbewegungen berauschte. Das hätte seinem „Mixtape“ sicherlich mehr Persönlichkeit verliehen. Auf diesem Wege hätte man vielleicht auch erfahren, warum jene Schmalfilme mehr als 30 Jahre lang Staub angesetzt haben, anstatt gesendet zu werden. So hingegen könnte man sich seinen Teil denken.
Es erfordert einige Ausdauer, sich dem zu nähern, was diesen Film zumindest inhaltlich rettet: seinem ethisch-moralischen Kern. Nämlich daran zu erinnern, dass der Erfolg einer – im progressiven Sinne – radikalen Minderheit auch davon abhängt, inwiefern ihre Ziele einem umfassenden freiheitlichen Geist entspringen. Was bedeutet: Keine „Black Power“ in den USA ohne eine Stärkung der Bürgerrechte und eine Bekämpfung der Verteilungsungerechtigkeit insgesamt!
Gerade dieser Punkt kommt in den Gesprächsszenen mit Angela Davis zum Ausdruck. Anfang der 70er-Jahre drohte ihr wegen „Unterstützung des Terrorismus“ die Todesstrafe, Journalisten befragten sie im Gefängnis. Drei Jahrzehnte später sprach sie Olsson ins Mikrofon: „Wir haben einen schwarzen Präsidenten, doch den weltweiten Kampf gegen Krieg, Rassismus und Ungerechtigkeit dürfen wir nicht aufgeben.“