Vertrauen in die Kraft von Politik und Diplomatie
Preisträger des diesjährigen Willy-Brandt-Preises sind der frühere norwegische Außenminister Jonas Gahr Store und der Vorsitzenden der SPD-Bundestagsfraktion, Frank-Walter Steinmeier. Er geht damit an zwei sozialdemokratische Politiker, die nicht nur eine enge persönliche Freundschaft verbindet, sondern die sich als Außenminister ihres jeweiligen Landes einer europäischen Friedenspolitik im Geiste Willy Brandts verpflichtet sahen.
Eigenständigkeit des Denkens bewahren
Für beide hieß das, Bündnistreue nicht in Frage zu stellen, sich aber Eigenständigkeit des Denkens bewahren und den Mut zu eigenen Bewertungen auch gegen den politischen und journalistischen Mainstream zu behaupten. Beide waren mit Willy Brandt davon überzeugt: Außenpolitische Handlungsfähigkeit ist nicht abhängig von den verfügbaren wirtschaftlichen oder militärischen Ressourcen. Sie ist keine Frage von Macht und Stärke allein. Auch mit begrenzten Möglichkeiten kann man sich Spielräume erarbeiten. Gefordert sind eine klare Vision, Geduld und Phantasie.
Norwegen ist als NATO-Partner, aktives UNO-Mitglied und Nachbar Russlands ein Land, dessen Stimme in Europa und weit darüber hinaus gehört wird. Es ist, wie Store einmal gesagt hat, ein „politisches und ökonomisches Überschussland“, ein Land, „das die Kraft hat, seinen Teil der Verantwortung zu tragen, damit eine bessere Welt zustande kommen kann.“
"Energieaußenpolitik", um Ressourcenkriege zu verhindern
Er selbst sah es als seine wichtigste Aufgabe an, den jahrzehntelangen norwegisch-russischen Streit um die Aufteilung der Barentsee und ihrer Gasvorkommen auf dem Verhandlungswege zu lösen und einer Kultur der Konfrontation eine Kultur der Kooperation entgegenzusetzen. In Frank-Walter Steinmeier fand er dabei einen wichtigen Mitstreiter. Dieser hatte schon zu Beginn seiner Amtszeit als Außenminister den Begriff der „Energieaußenpolitik“ geprägt. Langfristig verlässliche Absprachen zwischen Energieproduzenten, Transitländern und Konsumenten sollten gegenseitige Erpressungen und am Ende gefährliche Ressourcenkriege verhindern.
US-Präsident war damals George W. Bush. Viele in seiner Umgebung, aber auch nicht wenige europäische Partner und außenpolitische Kommentatoren, sahen die Welt schwarz-weiß. Klare Feindbilder und ein konfrontativer Ansatz bestimmten den außenpolitischen Diskurs. Steinmeier und sein norwegischer Amtskollege gehörten zu denen, die sich diesem Freund-Feind-Denken widersetzten.
In der Tradition der Brandtschen Entspannungspolitik setzten sie auf den Dialog auch mit schwierigen Partnern, die Definition gemeinsamer Interessen und die Stärke des Rechts. Beide gehörten zu denen, die es nicht für sinnvoll hielten, Länder wie die Ukraine und Georgien überstürzt in die NATO aufzunehmen. Die weiteren Ereignisse haben gezeigt, wie weitsichtig diese – am Ende auch von den anderen NATO-Partnern geteilte - Haltung war.
Internationale Ächtung von Streubomben gefordert
Als 2008 der Krieg in Georgien ausbrach und alle Welt in Russland den Angreifer sah, haben Steinmeier und Store auf eine unabhängige internationale Untersuchung zu den Kriegsursachen beharrt, die zu einer sehr viel differenzierten Beurteilung kam. International setzten sich beide für weitere Abrüstungsschritte in Europa und die internationale Ächtung von Streubomben ein. Im Dezember 2008 unterzeichneten Steinmeier und Store in Oslo mit Vertretern von 92 anderen Staaten die internationale Konvention zum Verbot dieser Waffen.
„Mehr als Lachs und Würstchen“, so hieß eine Ausstellung, die die beiden Preisträger 2006 aus Anlass des 100jährigen Bestehens der deutsch-norwegischen Beziehungen eröffnet hatten. Sie zeigte, wie eng verbunden – im Guten wie im Schlechten - die Geschichte beider Länder ist.
Willy Brandt, norwegischer Staatsbürger von 1940 bis 1948, verkörpert vielleicht wie kein zweiter die enge Verbindung, die zwischen beiden Ländern und den beiden sozialdemokratischen Schwesterparteien besteht. In seiner Dankesrede erinnerte Frank-Walter Steinmeier an den „eigensinnigen Geist Willy Brandts, der das Vertrauen in die Kraft von Politik und Diplomatie in keiner Phase seines Lebens verloren hat. Der den Mut hatte, eigene Wege zu beschreiten. Und der auf diese Weise neue Räume nach vorne geöffnet und die Welt verändert hat.“
*Der Willy-Brandt-Preis wird von der Norwegisch-Deutschen Willy-Brandt-Stiftung alljährlich verliehen. Mehr Informationen unter http://de.wikipedia.org/wiki/Willy-Brandt-Preis