Inland

Keine Sanktion für überlange Leiharbeit

von Christian Rath · 11. Dezember 2013

Leiharbeiter, die zu lange an das gleiche Unternehmen verliehen werden, bekommen dort nicht automatisch einen Arbeitsvertrag. Das entschied jetzt das Bundesarbeitsgericht in Erfurt. Es lehnte damit eine von der Gewerkschaft ver.di unterstützte Klage des Leiharbeiters Harald Hotop aus Lörrach (Südbaden) ab.

Hotop arbeitet seit 2008 als EDV-Sachbearbeiter bei der Lörracher Kliniken GmbH, einem Unternehmen des Landkreises Lörrach. Angestellt ist er aber bei Data-Med, einer Leiharbeitsfirma, die der Lörracher Kliniken GmbH gehört. Für ihn hat das gravierende Folgen. "Ich bekomme rund dreißig Prozent weniger Lohn als Kollegen, die die gleiche Arbeit machen und keine Leiharbeiter sind", sagt Hotop. Der Unterschied: Wer bei den Kliniken direkt angestellt ist, wird nach dem Tarifvertrag für den Öffentlichen Dienst (TVöD) bezahlt, Hotops Lohn bemisst sich dagegen nach dem ungünstigeren Tarifvertrag für Leiharbeiter. Die zeitweise defizitäre Kliniken GmbH begründet die Flucht in die Leiharbeit mit Sparzwängen. 

Nach dreieinhalb Jahren klagte Hotop auf eine Festanstellung bei den Kliniken. Die Leiharbeit sei nicht mehr "vorübergehend". Tatsächlich hatte der Bundestag 2011 ins Arbeitnehmerüberlassungsgesetz (AÜG) den Satz eingefügt: "Die Überlassung von Arbeitnehmern an Entleiher erfolgt vorübergehend."

Bundesarbeitsgericht widerspricht Landesarbeitsgericht

  Das Landesarbeitsgericht (LAG) von Baden-Württemberg gab Hotop im Vorjahr Recht. Weil der Arbeitnehmer dauerhaft an die Kliniken entliehen war, habe er nun ein Arbeitsverhältnis direkt mit den Krankenhäusern. Dagegen legten die Lörracher Kliniken und ihre Leiharbeitsfirma Data-Med Revision ein.

  Der Prozess fand im Vorfeld große Beachtung. Es wurde erwartet, dass das Bundesarbeitsgericht klärt, nach welcher Zeit eine Arbeitnehmer-Überlassung nicht mehr vorübergehend und daher unzulässig ist. Der Klinik-Anwalt wollte das Gesetz sehr großzügig auslegen: "Auch eine längerfristige Entleihung ist noch vorübergehend, solange sie nicht dauerhaft ist", argumentierte er in Erfurt.

  Doch das Bundesarbeitsgericht ließ die Frage offen. Es kam nämlich zu einer ganz anderen Lösung: "Im Gesetz steht nirgends, dass bei einer nicht vorübergehenden Arbeitnehmerüberlassung ein Arbeitsverhältnis mit dem Entleiher zustande kommt", sagte der vorsitzende Richter Gernot Brühler. Auch die zugrundeliegende EU-Richtlinie fordere nur "wirksame Sanktionen", lasse aber offen, was bei einer illegal langen Entleihung passieren soll.

Gesetz muss nachgebessert werden

  Die Lücke tritt nicht überraschend auf. Schon bei einer parlamentarischen Anhörung hatten Experten den Bundestag darauf hingewiesen, dass er keine Sanktionen für den Fall überlangerEntleihverhältnisse vorsehe. Doch die schwarz-gelbe Mehrheit setzte sich über die Bedenken hinweg.

  Nun muss der Bundestag also sein Gesetz nachbessern. Im Koalitionsvertrag ist das Thema Leiharbeit zwar angesprochen indem eine "Überlassungshöchstdauer von 18 Monaten" gesetzlich festlegt werden soll. Damit wäre aber nur geklärt, wie lange "vorübergehend" ist. Welche Sanktion fällig wird, wenn die Entleihung zu lange dauert, ist auch hier nicht entschieden. Das Problem verliert aber an Brisanz, falls - wie im Koalitionsvertrag ebenfalls versprochen - Leiharbeiter nach neun Monaten generell den gleichen Lohn erhalten wie die Stammbeschäftigten des Entleih-Unternehmens. In Deutschland gibt es derzeit rund 900 000 Leiharbeiter.

Az.: 9 AZR 51/13

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Christian Rath

ist rechtspolitischer Korrespondent.

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