Inland

Peer Steinbrück kritisiert Umverteilung von unten nach oben

von Carl-Friedrich Höck · 24. August 2013

Im europäischen Vergleich steht die deutsche Wirtschaft auf den ersten Blick gut da. Doch gleichzeitig wächst der Niedriglohnsektor: Mehr als sieben Millionen Menschen verdienen unter 8,50 Euro pro Stunde. In Offenbach diskutierte die SPD deshalb am Freitag über „Gute Arbeit und gerechte Löhne“.

Der Saal im Hotel Sheraton in Offenbach war voll besetzt. Noch bevor die Betriebsräte-Konferenz „Gute Arbeit und gerechte Löhne – in Hessen, Deutschland und Europa“ begann, überreichten sozialdemokratische Arbeitnehmervertreter dem SPD-Kanzlerkandidaten Peer Steinbrück einen Aufruf. Darin fordern sie: Gerechte Löhne, stärkere Mitbestimmung in den Unternehmen, sichere Arbeitsbedingungen und flexiblere Übergänge in den Ruhestand. Es ist zugleich ein Wahlaufruf für die SPD. Denn diese Themen stehen auch im Mittelpunkt des SPD-Regierungsprogramms. 

„Politiker und Betriebsräte haben ein ähnliches Problem“, sagte der Landesvorsitzende der hessischen SPD Thorsten Schäfer-Gümbel zu Beginn der Konferenz. Beide Gruppen hätten mit einem Vertrauensverlust zu kämpfen und müssten beweisen, dass sie genug Gestaltungskraft besäßen, um Veränderungen wirklich durchzusetzen. „Dieser Vertrauensverlust muss unsere Hauptantriebsfeder sein“, sagte Schäfer-Gümbel.

Schäfer-Gümbel fordert Kurskorrekturen

Die SPD sei in ihrer 150-jährigen Geschichte immer die Partei der Arbeit gewesen, fuhr der SPD-Spitzenkandidat für die hessische Landtagswahl fort. Das Fundament für soziale Fortschritte sei lange Zeit ein stabiles Bündnis zwischen den Gewerkschaften und der Sozialdemokratie gewesen. Nur durch dieses Bündnis könne das Land auch in Zukunft sozialer und gerechter werden. „Respekt vor harter Arbeit erfordert Kurskorrekturen“, sagte Schäfer-Gümbel. So gebe es in Hessen nach wie vor kein Tariftreuegesetz, das diesen Namen verdiene.

Der SPD-Kanzlerkandidat Peer Steinbrück übte scharfe Kritik an der Regierungsführung von Bundeskanzlerin Angela Merkel. „Man hat den Eindruck, dass die Regierung in den letzten vier Jahren im Kreis gefahren ist“, sagte er. Merkel unternehme nichts gegen die Spaltung des Arbeitsmarktes oder den drohenden Pflegenotstand. Bei der Energiewende sei die Regierung jetzt an dem Punkt angekommen, „an dem wir 2003 schon einmal waren“.

„Deutschland ist das Land mit dem größten Niedriglohnsektor in ganz Europa“, betonte Steinbrück. Mehr als sieben Millionen Menschen verdienten weniger als 8,50 Euro pro Stunde, und Frauen erhielten für die gleiche Arbeit im Durchschnitt 22 Prozent weniger Lohn als Männer. Die soziale Stabilität in Deutschland sei bedroht, stellte Steinbrück fest. Dies gefährde auch den Wirtschaftsstandort Deutschland. „Wir haben in den letzten 15 bis 20 Jahren eine Umverteilung von unten nach oben gehabt.“

Fünf Maßnahmen für Gute Arbeit

Fünf Forderungen aus dem sozialdemokratischen Regierungsprogramm hob Steinbrück hervor, für die sich eine SPD-geführte Bundesregierung einsetzen wolle:

  • Die SPD will direkt nach einem Regierungswechsel einen gesetzlichen Mindestlohn von 8,50 Euro einführen.
  • Die Tarifbindung soll gestärkt werden.
  • Durch ein Entgeltgleichheitsgesetz soll sichergestellt werden, dass Männer und Frauen gleich viel verdienen. Auch sollen Leiharbeiter und Werkvertrags-Angestellte für ihre Arbeit genauso viel erhalten wie die Stammbelegschaft.
  • Die sachgrundlose Befristung soll abgeschafft werden.
  • Die betriebliche Mitbestimmung der Arbeitnehmer soll gestärkt werden. So sollen die Arbeitnehmer auch über Standortfragen mitbestimmen können. Auch der Missbrauch von Werkverträgen soll auf diesem Weg eingedämmt werden. 

Während mehrerer Diskussionsrunden äußerte das Publikum seinen Unmut über aktuelle Entwicklungen auf dem Arbeitsmarkt. So prangerte eine Frau an, dass eine gesetzliche Krankenkasse für ihre Pflegeleistungen Angestellte auf 450-Euro-Basis beschäftige. Das Personal verdiene gerade einmal fünf Euro pro Stunde. Die Einführung eines Mindestlohnes werde Folgeregelungen nötig machen, antwortete Steinbrück. So müssten Krankenkassen für haushaltsnahe Dienstleistungen finanziell besser ausgestattet werden. Zu diesem Zweck solle der Pflegeversicherungsbeitrag um 0,5 Prozentpunkte erhöht werden.

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Carl-Friedrich Höck

arbeitet als Redakteur für die DEMO – die sozialdemokratische Fachzeitschrift für Kommunalpolitik.

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