Mit einem energiepolitischen „10-Punkte-Sofortprogramm“ will Peer Steinbrück die Strompreise senken und der Energiewende neuen Schwung geben. Profitieren sollen davon vor allem die Verbraucher.
Die Situation ist paradox: Obwohl der Preis für eine Kilowattstunde an der Strombörse in Leipzig kontinuierlich sinkt, gehen die Strompreise für die Verbraucher immer weiter nach oben. Damit soll nach dem Willen von SPD-Kanzlerkandidat Peer Steinbrück bald Schluss sein. „Wir wollen den Strompreis stabilisieren und die Bürgerinnen und Bürger von ständig steigenden Energiekosten entlasten“, kündigte Steinbrück am Donnerstag bei der Vorstellung seines „energiepolitischen 10-Punkte-Sofortprogramms“ in Berlin an.
In dem zehnseitigen Papier haben Steinbrück und Matthias Machnig, im Kompetenzteam des Kanzlerkandidaten zuständig für den Bereich Energiepolitik, aufgeschrieben, wie sie die Energiewende „vom Abstellgleis“ holen und zum Erfolg führen wollen. Im Zentrum stehen dabei die Stromkosten.
Das wichtigste Ziel: den Strompreis begrenzen
Allein im Januar dieses Jahres seien die Strompreise für Privathaushalte um rund 13 Prozent gestiegen, rechnen Steinbrück und Machnig in ihrem Papier vor. Bezahlte ein Drei-Personen-Haushalt vor zehn Jahren im Monat durchschnittlich noch 50,14 Euro, sind es heute 83,30 Euro. „Unser wichtigstes Ziel ist es, diesen massiven Strompreisanstieg zu begrenzen“, kündigte Matthias Machnig an.
Gelingen soll dies über eine Absenkung der Stromsteuer um 25 Prozent. Um rund 1,6 Milliarden Euro sollen die Verbraucher auf diese Weise entlastet werden. Auch die umstrittene Befreiung so genannter energieintensiver Unternehmen von der EEG-Umlage wollen Steinbrück und Machnig deutlich beschränken. Auf diese Weise könnten 500 Millionen Euro pro Jahr zusätzlich eingenommen werden, die die Stromrechnung der privaten Verbraucher entlasteten.
Auch die gesunkenen Großhandelspreise von der Strombörse sollen an die Kunden weitergegeben werden. „Wir müssen mehr Preistransparenz schaffen um die Preise zu stabilisieren“, lautet die Forderung. Die Energieversorger sollen deshalb dazu verpflichtet werden, ihre Grundversorgertarife an die Bundesnetzagentur zu melden. Liegen diese um mehr als zehn Prozent über dem niedrigsten Vergleichspreis innerhalb einer Region, muss der Versorger seine Preise senken.
„Wir brauchen die Bürger“
„Ohne eine Neuausrichtung der Energiepolitik und des Managements der Energiepolitik wird die Energiewende scheitern“, ist Machnig sicher. Peer Steinbrück und er wollen deshalb das von Rot-Grün im Jahr 2000 erlassende Erneuerbare-Engergien-Gesetz (EEG) grundlegend reformieren. Das Gesetz garantiert feste Beträge für die Einspeisung von Strom aus erneuerbaren Quellen. „Das EEG hat die Erneuerbaren Energien im Stromsektor in Deutschland aus der Nische gebracht“, schreiben Steinbrück und Machnig in ihrem Papier. „Jetzt kommt es darauf an, den Schritt zum Mehrheits-Energieträger zu machen.“
Dabei setzen sie auf „Bürgerenergie“: Bürger sollen mit kleinen Summen ebenso in die Energiewende investieren wie kleine und mittelständische Unternehmen und die Stadtwerke. „Die Akzeptanz der Energiewende kann und muss dadurch gesichert werden, dass sich viele daran beteiligen“, heißt es in dem Sofortprogramm. Deshalb sollen Energie-Bürgergenossenschaften künftig stärker unterstützt werden. „Wir brauchen die Bürgerinnen und Bürger“, betonte Matthias Machnig auch am Donnerstag im Willy-Brandt-Haus.
Genug gemerkelt!
Weitere Punkte des Sofortprogramms sind die „Entwicklung eines neuen Strommarktdesigns“, das dafür sorgen soll, dass ausreichend Kraftwerke zur Verfügung stehen und keine Stromausfälle drohen, sowie die Gründung einer „Deutschen Netzausbau AG“. Diese soll den Ausbau der Übertragungsnetze beschleunigen. Bis 2022 müssten 4600 Kilometer Stromleitungen errichtet werden, rechnete Matthias Machnig am Donnerstag vor. „Davon sind bis heute nicht einmal 300 Kilometer gebaut worden.“
Folge sei, dass etwa Offshore-Windstrom, der auf hoher See produziert wird, nicht dorthin transportiert werden kann, wo er gebraucht wird. Der kürzlich eröffnete Windpark „Riffgat“ vor der Insel Borkum etwa kann den Strom, den er produziert, nicht weitergeben. Die Rotoren müssen per Dieselmotor bewegt werden, damit sie nicht einrosten.
„Bei der Energiewende wurde zu lange gemerkelt: ausgesessen, ignoriert, verschoben – auf Kosten der Bürgerinnen und Bürger, der Industrie und der zukünftigen Generationen“, betonten Peer Steinbrück und Matthias Machnig am Donnerstag unisono. Und der Kanzlerkandidat versprach: „Die SPD wird das Chaos beseitigen und das verloren gegangene Vertrauen wieder herstellen.“ Der Plan dazu liegt nun vor.
Dirk Bleicker | vorwärts
ist stellvertretender Chefredakteur des vorwärts. Er betreut den Bereich Parteileben und twittert unter @kai_doering.