Inland

SPD will Doping-Vorwürfe im Bundestag thematisieren

von Carl-Friedrich Höck · 6. August 2013

Laut einer Studie hat der Staat auch in Westdeutschland in den 1970er und 1980er Jahren zumindest indirekt Doping gefördert. Die Erkenntnisse einer Berliner Forschungsgruppe erschüttern die Sportwelt. Die SPD fordert Aufklärung und schärfere Gesetze gegen Doping.

Von einem „ungeheuerlichen Vorwurf“ sprach die SPD-Generalsekretärin Andrea Nahles am Montag. Sie meinte die Ergebnisse einer Studie von Forschern aus Berlin und Münster, die am Wochenende publik geworden waren. Wenn es stimmt, was die Autoren schreiben, muss die Geschichte des Leistungssports in der Bundesrepublik umgeschrieben werden.

Das Papier mit dem nüchternen Titel „Doping in Deutschland von 1950 bis heute aus historisch-soziologischer Sicht im Kontext ethischer Legitimation“ kommt zu dem Schluss: In der Bundesrepublik wurde spätestens seit den 1970er Jahren systematisch gedopt. Und der Staat hat offenbar nicht nur weggesehen, sondern die Erforschung leistungssteigernder Mittel sogar gefördert.

Im Mittelpunkt des Skandals steht das Bundesinstitut für Sportwissenschaft (BISp), das die Studie zusammen mit dem Deutschen Olympischen Sportbund (DOSB) 2008 selbst in Auftrag gegeben hat. Wissenschaftler von der Berliner Humbold-Universität und der Westfälischen Wilhelms-Universität Münster sollten die Dopinggeschichte der Bundesrepublik erforschen. Das BISp wurde 1970 mit Mitteln des Bundesinnenministeriums gegründet, im Vorfeld der Olympischen Spiele 1972 in München.

Nebenwirkungen wurden verschwiegen

Wie die Forscher herausfanden, gab das BISp Studien zu Präparaten in Auftrag um – wie es offiziell oft hieß – nachzuweisen, dass dieses gar nicht leistungsfördernd seien. Stellte sich dann das Gegenteil heraus, wurden die Dopingmittel eingesetzt. Mögliche gesundheitliche Nebenwirkungen sollen unter den Teppich gekehrt worden sein. Sogar an Minderjährigen seien Dopingmittel getestet worden, schreiben die Forscher.

Die Studie legt zudem den Schluss nahe, dass die Politik die Dopingforscher angetrieben hat. Eindeutige Anweisungen sind allerdings nicht belegt. Stattdessen wird unter anderem ein Regierungsmitglied zitiert, das 1972 zu einem BISp-Funktionär gesagt haben soll: „Von Ihnen als Sportmediziner will ich nur eins: Medaillen in München.“ Und ein sportpolitischer Sprecher der CDU-Fraktion hat laut eine Zeitzeugen in den 1970er Jahren gesagt: „Wenn es nicht schadet, soll man auch da das Bestmögliche unseren Sportlern angedeihen lassen.“

Um die Veröffentlichung der Studie gab es einigen Wirbel. Das BISp hat die im April 2013 fertig gestellte Studie zunächst unter Verschluss gehalten und dies mit dem Datenschutz begründet, da konkrete Namen von Ärzten, Funktionären und Sportlern genannt wurden. Die Forscher selbst wollten ihre Ergebnisse nicht veröffentlichen, solange der Auftraggeber ihnen keinen Rechtsschutz gewährte. Erst durch einen Artikel der „Süddeutschen Zeitung“ vom Wochenende kamen die Ergebnisse zumindest teilweise ans Licht. Am Montag schließlich hat das BISp eine gekürzte Fassung des Berichts an den Bundestag gesandt und online gestellt.

Der Fraktionsgeschäftsführer der SPD im Bundestag Thomas Oppermann will sich damit nicht zufrieden geben. "In dem vom Innenministerium an den Bundestag übersandten Bericht fehlen wohl 680 der ursprünglich 804 Seiten. Das ist eine gezielte Täuschung des Parlaments", sagte er am Dienstag. Was der "Süddeutschen Zeitung" vorliege, müsse auch der Bundestag als Geldgeber der Studie wissen dürfen.

SPD fordert Ausschuss-Sitzung zum Thema

Die Vorsitzende des Sportausschusses des Bundestags Dagmar Freitag (SPD) fordert nun eine öffentliche Ausschuss-Sitzung zu den Doping-Erkenntnissen. Darin könnte es auch um die Gegenwart des Dopings in Deutschland gehen. Die Forscher wollten ursprünglich auch Zeit von 1990 bis zur Gegenwart untersuchen. Diese Projektphase kam jedoch nicht mehr zustande, weil die Arbeiten an der Studie länger dauerten als geplant und die Auftraggeber 2012 ihre Zahlungen einstellten. Doch dass es auch heute noch weit verzweigte Doping-Netzwerke gibt, ist zumindest anzunehmen. Einblicke in ein funktionierendes Doping-System gab erst kürzlich wieder der ehemalige Rad-Profi Erik-Zabel, der unter anderem das Blutdopingmittel Epo einsetzte. Ein Stoff, dessen leistungssteigernde Wirkung ab 1988 auch das BISp untersuchen ließ.

„Aus unserer Sicht ist klar, dass Doping die Grundwerte des Sports beschädigt“, betonte Andrea Nahles am Montag noch einmal. Die SPD wolle, dass Doping konsequent bestraft wird. Und sie sei „die einzige Partei im deutschen Bundestag, die auch einen entsprechenden Gesetzentwurf vorgelegt hat.“

Schwarz-Gelb stimmte gegen schärfere Gesetze

Sie bezog sich auf einen Antrag, den die SPD im Mai in den Bundestag eingebracht hatte. Damit wollten die Sozialdemokraten die Strafvorschriften gegen den Vertrieb und die Abgabe von Dopingmitteln erweitern. Das Eigendoping im organisierten Sportwettkampf, die Anwendung von Dopingmethoden und der Besitz oder Erwerb von Dopingmitteln sollten unter Strafe gestellt werden.

Im Juni scheiterte der Antrag am Widerstand der Schwarz-Gelben Koalition. „Eine pauschale Kriminalisierung von Dopingsündern lehnen wir ab“, begründete der FDP-Abgeordnete Lutz Knopek das Nein der Regierung. Und der parlamentarische Staatssekretär im Innenministerium Christoph Bergner vertrat die Ansicht, Fairness im Sport sei kein mit strafrechtlichen Mitteln durchsetzbares Rechtsgut.

Für die SPD waren das keine überzeugenden Argumente. „Wir müssen alle Möglichkeiten ausschöpfen, um dem Doping im Sport ganz entschieden entgegenzutreten“, hielt die Fraktionsvizin Christine Lambrecht entgegen.

Autor*in
Avatar
Carl-Friedrich Höck

arbeitet als Redakteur für die DEMO – die sozialdemokratische Fachzeitschrift für Kommunalpolitik.

0 Kommentare
Noch keine Kommentare