Inland

NSU-Prozess: Die Anschlagsziele wurden minutiös ausgespäht

von Thomas Horsmann · 17. Oktober 2013

Drei Themen beherrschten in dieser Woche den NSU-Prozess vor dem Oberlandesgericht München: Der Mord an Theodoros Boulgarides, die Tatwaffe Ceska 83 und die exakten Pläne, die das NSU-Trio für ihre neun Morde ausgearbeitete hatte.

Wie detailliert die Terroristen des Nationalsozialistischen Untergrunds (NSU) ihre Anschläge und Morde vorbereitet haben, zeigte die Beweisaufnahme in dieser Woche. Die mutmaßlichen Täter Uwe Mundlos und Uwe Böhnhardt kannten offenbar die Gewohnheiten ihrer Opfer und wussten genau über das Umfeld der Tatorte Bescheid. Das geht aus den Unterlagen hervor, die die Ermittler im Schutt der ausgebrannten Wohnung des NSU-Trios Mundlos, Böhnhardt und Beate Zschäpe in Zwickau sicherstellen konnten.

In den Unterlagen fanden sich detaillierte Stadtpläne aus 14 Städten mit handschriftlichen „Ausspähnotizen“, die nur durch Anwesenheit vor Ort erklärbar sind. „Gutes Objekt, geeigneter Inhaber, Lage ist akzeptabel“ ist dort etwa zu einem türkischen Geschäft vermerkt oder „Café wie in Köln, Straße wirkt auch so“ zu einem anderen Ziel in Nürnberg. Insgesamt hatte das Trio 10.000 Adressen gesammelt, besonders von Asylbewerbereinrichtungen, islamischen Einrichtungen und Parteibüros, vor allem der PDS. Allein für die Städte Kassel, München, Nürnberg und Dortmund, in denen der NSU mordete, fand die Polizei Adressen von 267 möglichen Anschlagszielen auf Karten, DVDs und USB-Sticks. 

Ein Anruf belastet Zschäpe

Aus dem Schutt in Zwickau bargen die Ermittler auch eine Karte, die drei Tage vor dem Mord an dem Münchner Theodoros Boulgarides ausgedruckt worden war. Sie zeigt die Umgebung der Trappentreustraße 4, dem Tatort. Ein Punkt in dessen Nähe ist auf der Karte mit einem Stern markiert. Der ahnungslose Grieche war am 15. Juni 2005 in seinem Schlüsseldienstladen ermordet worden. Damals hatten die Täter zwischen 18.30 und 19 Uhr, kurz nach Ladenschluss, dem Familienvater drei Mal ins Gesicht geschossen.

Auch ein Handy fand sich im ausgebrannten Versteck des NSU-Trios in der Frühlingsstraße. Anhand von Daten der Funkzelle 7773 in der Nähe der Trappentreustraße konnte die Polizei nachweisen, dass es am Tattag dort eingeloggt war. Mit dem Handy war um 15.22 Uhr ein Anruf aus einer Telefonzelle in der Nähe der Zwickauer Polenzstraße entgegengenommen worden – dort hatte das NSU-Trio damals sein Versteck, vermutlich war Beate Zschäpe die Anruferin. Dies ist ein wichtiges Indiz, auf das sich die Anklage gegen Zschäpe stützt. Sie ist nicht nur angeklagt, das Zwickauer Versteck des Trios in Brand gesteckt zu haben, sie soll auch an den zehn Morden des NSU beteiligt gewesen sein. 

Wie die Mordwaffe nach Deutschland kam

Ein weiteres hochinteressantes Thema der Woche war der Weg, den die Tatwaffe, eine Ceska 83 mit Schalldämpfer, von der Herstellung bis zum NSU-Trio genommen hat. In der Tschechischen Republik hergestellt, wurde sie 1996 in die Schweiz verkauft. Ein Waffenhändler aus der Nähe von Bern wurde am Mittwoch dazu vernommen. Zwei weitere Zeugen aus der Schweiz, die Auskunft über den weiteren Weg der Waffe machen können, haben es abgelehnt, nach Deutschland zu kommen. Richter Manfred Götzl kündigte an, ein Rechtshilfeersuchen an die Schweiz zu stellen. 

Der Waffenhändler hatte acht bis zehn Exemplare der Ceska 83 erworben und ausschließlich als Set mit Schalldämpfer weiterverkauft. Das stimmt mit der Aussage von Carsten S. überein, der berichtet hatte, dass er die Waffe, die er im Auftrag von Wohlleben für das untergetauchte NSU-Trio gekauft haben will, nur mit Schalldämpfer erhalten habe. Die Staatsanwaltschaft sieht den Schalldampfer bislang als Hinweis darauf, dass die Waffe nicht zur Selbstverteidigung besorgt wurde. Dies hätte Carsten S. misstrauisch machen müssen.

Doch zurück zur Geschichte der späteren Tatwaffe. Die Ceska 83 mit der Seriennummer 034678 wurde noch 1996, einen Tag nachdem sie der Waffenhändler erhalten hatte, an einen Kunden aus Steffisburg in der Schweiz weiterverkauft. Der Mann gab sie bald darauf an einen Schweizer Freund weiter, der lange in Thüringen gelebt hatte. Der brachte sie vermutlich nach Deutschland. Über weitere Kontakte gelangte die Ceska 83 schließlich nach Thüringen, wo sie Carsten S. für das NSU-Trio erwarb. 

Video zeigt nicht Zschäpe

In dieser Woche konnte auch die in der vergangenen Woche angeforderten, verbesserten Videoaufnahmen aus der Kölner Keupstraße vom Gericht überprüft werden. Dort sollte Beate Zschäpe zu erkennen sein. Tatsächlich zeigten die Aufnahmen jedoch eine andere Person. Der Prozess wird kommende Woche fortgesetzt. 

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Thomas Horsmann

ist freier Journalist und Redakteur.

 

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