Ein neues Buch des Grünen-Politikers Ralf Fücks schlägt eine Brücke zwischen Ökologie und Industrie. Vorgestellt wurde es am Mittwoch in Berlin. „Es schlägt einen neuen Ton an“, lobt SPD-Fraktionschef Frank-Walter Steinmeier.
Schon die Besetzung des Podiums hat Symbolkraft. In einem Tagungsraum der Bundespressekonferenz sitzen einträchtig nebeneinander: Die Spitzenkandidatin der Grünen für die nächste Bundestagswahl Katrin Göring-Eckardt, der Chef der SPD-Fraktion im Bundestag Frank-Walter Steinmeier und Ralf Fücks.
Fücks ist Vorstand der Heinrich-Böll-Stiftung und seit 1982 Mitglied bei den Grünen. Mit seinem in dieser Woche erschienenen Buch „Intelligent wachsen – die grüne Revolution“ könnte er einen Beitrag dazu leisten, die politische Allianz zwischen Grünen und SPD noch stärker zu festigen. Denn bei allen Gemeinsamkeiten geraten auch SPD und Grüne immer mal wieder aneinander. Besonders dann, wenn es um die Wirtschaft geht.
Kohlepartei gegen Latte-Trinker?
Steinmeier drückt es so aus: „Krawallmaterial ist da, wenn die SPD als Kohle- und Betonpartei herausgestellt wird und die Grünen als postmaterialistische Latte macchiato-Trinker“.
Man kann es auch anders formulieren: Die Medien stellen die SPD gerne als Lobbyistin für industrielles Wachstum dar, mit dem Arbeitsplätze und Wohlstand gesichert werden sollen. Die Grünen werden dagegen als Verzichts-Partei bezeichnet. Denn sie verweisen auf die ökologischen Folgen der Industrialisierung und die endlichen natürlichen Ressourcen. Unendliches Wachstum sei daher gar nicht möglich, sagen (nicht nur) viele Grüne. Auch wenn der wirtschaftspolitische Unterschied zwischen den beiden Parteien damit überspitzt dargestellt ist: Die Klischees haben einen wahren Kern, und der bietet Konfliktstoff.
Diesen will Ralf Fücks mit seinem Buch auflösen. „Es schlägt einen neuen Ton an“, urteilt Steinmeier. Denn Fücks verweist zwar ebenfalls auf die Belastungsgrenzen der Ökosysteme, vertritt aber die Auffassung, dass daraus nicht zwangsläufig fixe Grenzen für die ökonomische Wertschöpfung folgen.
Die grüne Revolution
Die Gesellschaft solle auch künftig Wirtschaftswachstum anstreben, schreibt Fücks. Es müsse aber ein grünes Wachstum sein, das aus weniger mehr macht. Die Formel lautet: weniger Energie und Ressourcen verbrauchen, auf erneuerbare Energiequellen und Rohstoffe setzen und trotzdem mehr produzieren.
Die Idee ist nicht neu. Die Grünen zogen schon 2009 mit ihrer Forderung nach einem „Green New Deal“ in den Wahlkampf, der im Kern ein Investitionsprogramm für nachhaltiges und ökologisch verträgliches Wirtschaftswachstum ist. Die Idee ist getragen von der Hoffnung, dass die europäischen Länder in eine neue, lang anhaltende Wachstumsphase eintreten können. Voraussetzung: Sie müssen sich zu Vorreitern auf dem Feld der umweltschonenden, grünen Technologien aufschwingen.
Einige Experten bestreiten allerdings, dass „grünes Wachstum“ überhaupt möglich ist. Ihnen tritt Fücks mit Fakten und Optimismus entgegen. „Es gab noch nie soviel Forschung und Entwicklung wie heute“, sagt er. Deutschland produziere heute 25 Prozent weniger CO2 als 1990, während die Wirtschaftsleistung um ein Drittel gewachsen sei. Warum solle man diese Erfolge nicht ausbauen können?
Der Staat soll Leitplanken setzen
Dem Staat weist Fücks die Aufgabe zu, Leitplanken zu setzen. Zum Beispiel durch ein effizienteres System für den Handel mit Emissionsrechten, aber auch durch eine ökologische Steuerreform. „Energiepreise sollen die ökologische Wahrheit sagen“, lautet eine seiner Forderungen. Die ökologischen Folgekosten müssten im Preis inbegriffen sein.
Dies ist eine der wenigen Stellen im Buch, die Steinmeier stören. „Es ist wie beim Schrauben“, entgegnet er. „Wenn man dreht, wird es erst immer fester, und dann plötzlich ganz locker.“ Man dürfe die Preisschraube bei der Energie nicht überdrehen.
„Ein Zurück zu den fossilen Energieträgern können wir uns ökonomisch und sozial nicht leisten“, wendet Katrin Göring-Eckardt ein. Ansonsten betont auch sie das Potential des Buches, eine Brücke zwischen der Industrie und den Umweltschützern zu schlagen. Aus den einst technikfeindlichen Grünen seien technikgläubige geworden.
Für die Grünen liefert das Buch Material, um ihre Forderungen mit weiteren Fakten zu unterfüttern. Es sei kein Wahlprogramm, sagt Göring-Eckardt. Doch es liefere „Thesen, ohne die ein grünes Wahlprogramm nicht machbar ist.“
Ralf Fücks: Intelligend wachsen. Die grüne Revolution. Hanser Verlag 2013, 362 Seiten, 22,90 Euro. ISBN: 978-3-446-43484-4. Eine Leseprobe des Buches gibt es auf der Internetseite des Hanser Verlags.
arbeitet als Redakteur für die DEMO – die sozialdemokratische Fachzeitschrift für Kommunalpolitik.