Inland

Unglaublich!

von Karin Nink · 8. März 2013

Der zuständige Staatsschutzsenat des Oberlandesgerichts München hat dem türkischen Botschafter in Deutschland und dem Menschenrechtsbeauftragten des türkischen Parlaments einen festen Platz als Prozessbeobachter verweigert. Unglaublich! Gibt es eigentlich noch etwas, das bei der Aufdeckung und der juristischen Bewertung der NSU-Morde nicht schief laufen kann?

Ist den bayerischen Richtern das breite Versagen von deutschen Sicherheits- und Ermittlungsbehörden entgangen? Fehlt ihnen der Respekt vor den überwiegend türkischen Angehörigen der Opfer, die ungerechtfertigt teilweise selbst unter Verdacht gestellt worden waren und nicht verstehen können, dass sich in dem rechtsstaatlichen und demokratischen Deutschland eine solche Blutspur mehr als fünfzehn Jahre scheinbar unbemerkt durchs Land ziehen konnte? Ist dem Münchner Gericht die nationale und internationale Bedeutung dieses Prozesses nicht bewusst?

Bei dem jüngsten Türkei-Besuch von SPD-Chef Sigmar Gabriel waren die heimtückischen Neonazi-Morde ein großes Themen in den Gespräche mit türkischen Medien. Und in der Vergangenheit war es selbstverständlich, dass bei Staatsschutzprozessen, wie etwa dem La-Belle-Prozess in Berlin, ausländische Vertreter dabei sein konnten. Diesen Anspruch hätte Deutschland in einem ähnlichen Verfahren im Ausland – zu Recht – auch. Warum also soll das ausgerechnet in München nicht gelten?

Es geht um mehr als ein Strafverfahren

Bei dem im April beginnenden Prozess geht es schließlich nicht um ein normales Strafverfahren wegen Mordes. Es geht um deutlich mehr. Es geht darum, dass das durch die NSU-Taten tief erschütterte Vertrauen der Bürger in ihren Staat und seine Behörden wieder gefestigt wird. Es geht darum, den Angehörigen der Opfer das überzeugende  Gefühl zu geben, dass sie trotz allem in diesem Land gewollt sind, dass dieses Land zu ihnen steht und mit ihnen leidet.

Am Ende dieses Prozesses muss die Gewissheit stehen, dass Rechtsextremisten unter besonderer Beobachtung stehen und in Deutschland nie wieder ungehindert und ungestraft morden können.

Niemand will die Unabhängigkeit und Seriosität des zuständigen Gerichts in Frage stellen. Aber offenbar fehlt es den Richtern an der so dringend notwendigen Sensibilität für die Wirkung und Bedeutung dieses Prozesses. Das lässt sich korrigieren. Noch.

Zur Nachricht: Kein Platz für den türkischen Botschafter

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Karin Nink

ist Chefredakteurin des "vorwärts" und der DEMO – Das sozialdemokratische Magazin für Kommunalpolitik sowie Geschäftsführerin des Berliner vorwärts-Verlags.

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