Das geplante Freihandels­abkommen zwischen EU und USA bedroht den europäischen Sozialstaat. Das muss die SPD verhindern, fordert der Landauer Stadtrat Hans-Jürgen Blinn.

Peer Steinbrück hat auf dem SPD-Parteitag in Augsburg mehr soziale Gerechtigkeit in Deutschland verlangt. Das durchzusetzen könnte bald unmöglich werden. Denn es droht – von der Öffentlichkeit bisher kaum wahrgenommen – ein Ausverkauf unserer sozialen Marktwirtschaft beim geplanten Freihandelsabkommen zwischen der EU und den USA. Wirtschaftsverbände jubeln schon und sehen Chancen für „echten Freihandel“, sie versprechen günstigere Preise durch sinkende Kosten.

Das Abkommen wird auch Regeln für Dienstleistungen festlegen. Es wird direkt in unsere Rechtsordnung eingreifen. Die große Gefahr: Durch die Hintertür droht künftig auch in der EU neoliberales US-Recht zu gelten. Und das hat so gar nichts zu tun mit unseren Vorstellungen von sozialer Gerechtigkeit.

Widerstand gegen Washington

Die SPD verspricht in ihrem Wahlprogramm, die Finanzmärkte umfassend zu regulieren. Die Gelegenheit hat sie jetzt: beim geplanten Freihandelsabkommen mit den USA. Hier muss die SPD Widerstand leisten gegen alle Pläne Washingtons, die europäischen Finanzmärkte zu deregulieren.

Die SPD begrüßt die Aufnahme von Verhandlungen über eine transatlantische Freihandelszone. Sie sollte sich dafür einsetzen, dass dabei unsere Sozial- und Gesundheitsstandards sowie unsere öffentlichen Dienstleistungen nicht zur Disposition gestellt werden.

Auch die deutschen Bundesländer können Einfluss nehmen, denn in EU-Angelegenheiten sieht das Grundgesetz ihre Mitentscheidung vor. Die SPD-geführten Landesregierungen müssen sich durch eindeutige Stellungnahmen an die Bundesregierung für den Erhalt unserer kulturellen Vielfalt und unseres Bildungssystems einsetzen.

Die USA wollen ihr Credo durchsetzen

Denn das Abkommen zielt auch auf Veränderungen in diesen Bereichen. Bisher wurde in Handelsabkommen der EU den Kulturdienstleistungen eine Sonderrolle zugestanden, indem man besondere Kulturprotokolle abschloss. Dies soll es jetzt beim Freihandelsabkommen nicht mehr geben, so der EU-Handelskommissar. Damit steht unser öffentlich-rechtlicher Rundfunk ebenso zur Disposition wie ein gebührenfreies Studium, denn nach amerikanischer Denkweise sind dies Dienstleistungen, die sich im freien Markt behaupten müssen und sich nicht mit staatlicher Unterstützung einen Wettbewerbsvorteil verschaffen dürfen.

Die USA wollen ihr Credo „Markt geht vor Staat“ gegenüber den Europäern durchsetzen, und die EU-Kommission scheint dies gutzuheißen. Die SPD-Abgeordneten im Europäischen Parlament dürfen keinem Abkommen zustimmen, das die europäische Sozialstaatlichkeit aushebelt.

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Hans-Jürgen Blinn

sitzt für die SPD im Landauer Stadtrat. Als Ministerialrat im Mainzer Bildungsministerium ist er Beauftragter des Bundesrates für Handelspolitik des Europäischen Rates.

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