Es ist die bedeutendste Auszeichnung für Fotojournalisten: der World Press Photo Award. Eine Auswahl der prämierten Arbeiten ist derzeit im Berliner Willy-Brandt-Haus zu sehen. „Bilder, die den Horizont erweitern und Perspektiven eröffnen“, so SPD-Fraktionschef Frank-Walter Steinmeier bei der Eröffnung der Schau am Mittwoch.
Unter einer Autobahnbrücke sitzen Kinder. In ordentlichen Reihen haben sie auf Decken Platz genommen. Sie werden hier unterrichtet. Im indischen Neu-Delhi hat Rajesh Kumar Sharma diese Schule gegründet, um die Kinder von Arbeitern für die Aufnahme in staatliche Schulen vorzubereiten. Er hat ihre Familien überredet, sie zum Unterricht statt zur Arbeit zu schicken. Der Fotograf Altaf Qadri hat den Schulalltag in einer eindrucksvollen schwarz-weißen Fotoserie festgehalten.
Mit der Kamera Geschichten ans Licht bringen, das sei es was diese Fotografien leisten, betont der niederländische Botschafter Marnix Krop bei der Eröffnung im Willy-Brandt-Haus. „Mit dieser Ausstellung ehren wir die professionellen Pressefotografen.“ Die World Press Photo Foundation, die ihren Sitz in den Niederlanden hat, vergibt jedes Jahr in 18 Kategorien Preise für die besten Pressefotos. 5.666 Fotografinnen und Fotografen aus 124 Ländern haben sich in diesem Jahr an dem Wettbewerb beteiligt.
Die ganze Geschichte
Jedes Jahr gibt es einen Gesamtsieger, das World Press Photo des Jahres. 2013 kommt es von dem Schweden Paul Hansen. Es zeigt eine Gruppe von Männern, die durch eine enge Gasse läuft. Die beiden ganz vorne tragen zwei tote Kinder in ihren Armen. Es sind die Leichen des zweijährigen Suhaib Hijazi und seines älteren Bruders Muhammad. Sie wurden bei einem israelischen Luftangriff am 19. November 2012 in Gaza-Stadt getötet. „Dieses Bild ist im besten Sinne des Wortes gewaltig“, sagt Frank-Walter Steinmeier.
Der ehemalige Außenminister zeigt sich beeindruckt von dem Bild. Doch er weist darauf hin, dass ein einziges Bild nicht die ganze Geschichte erzählt. Schon gar nicht, wenn die Lage so komplex sei wie im Nahost-Konflikt. Hansens Foto erzählt nicht, ist dass auch der Vater der beiden Jungs getötet wurde, dass die Mutter verletzt überlebt hat. Es erzählt auch nicht, dass die israelischen Angriffe die Antwort auf Raketen waren, die aus den Palästinensergebieten auf Israel abgefeuert wurden. Und doch ist Steinmeier sicher: „Wer dieses Foto betrachtet, wird nicht auf Rache, sondern auf Frieden sinnen.“
Das Leben riskieren
In der Ausstellung im Willy-Brandt-Haus sind Bilder von Krieg und Gewalt – aus Syrien, aus Israel, aus dem Sudan – zu sehen. Die Fotografinnen und Fotografen nehmen Not und Armut in den Fokus. Sie zeigen unterdrückte und misshandelte Frauen, Opfer von Drogenkriegen und Menschen, die am Rande der Gesellschaft leben. Zu letzteren zählen etwa die homosexuellen Paare in Vietnam, die die Fotografin Maika Elan vor ihre Kamera geholt hat. Sie thematisiert mit ihren Bildern, dass gleichgeschlechtliche Paare in Vietnam um ihre Rechte und ihre gesellschaftliche Anerkennung kämpfen.
Teil der Schau sind auch eindrucksvolle Sport- und Naturfotografien. Doch Bilder von Krieg und Konflikt seien die Hauptthemen, sagt Erik de Kruijf von der World Press Photo Foundation. Die Pressefotografen die Bilder aus Kriegsgebieten liefern, tun das häufig unter Einsatz ihres Lebens. 89 Pressefotografen wurden 2012 getötet, ein trauriger Rekord. Auch darauf macht die sehenswerte Schau aufmerksam.
World Press Photo. Willy-Brandt-Haus Berlin, Dienstag bis Sonntag 12 bis 20 Uhr, Eintritt frei, Ausweis erforderlich. (Die Ausstellung ist am 13. Juni von 12 bis 18 Uhr geöffnet, am 26. Juni geschlossen).
Goetz Schleser
ist Redakteurin, die für den „vorwärts“ über Kultur berichtet.