Kultur

„Schwestern, zur Sonne, zur Gleichheit“

von Renate Faerber-Husemann · 18. Juni 2013

Was bleibt zurück nach dem Besuch der Ausstellung „Schwestern, zur Sonne, zur Gleichheit“ im Bonner Frauenmuseum? 

Bewunderung  für die Geduld, die Zähigkeit, die Tapferkeit, die Kompromisslosigkeit jener Vorfahrinnen, die sich unter widrigsten Umständen politisch engagierten. Zurück bleibt aber auch ein wenig Melancholie bei dem Gedanken daran, wie hart die gleichberechtigte Teilhabe erkämpft wurde – und wie wenig diese Frauen, auf deren Schultern wir stehen, heute noch im Gedächtnis sind. 

Zum Beispiel die Bonner Frühsozialistin Johanna Kinkel, aktiv beteiligt an der 1848er Revolution. Die Künstlerin Marianne Pitzen hat der Komponistin und Dirigentin eine Figurengruppe in leuchtendem Orange gewidmet: Johanna Kinkel, ihre vier Kinder und politische Freunde auf dem Weg ins Londoner Exil. Dort nahm sie sich wenige Jahre später das Leben.

Viel zu wenig im Gedächtnis sind auch all jene Genossinnen, die ihren Einsatz für das Frauenwahlrecht mit Gefängnis bezahlen mussten und ihren Kampf gegen den Naziterror mit ihrem Leben. Man muss aber gar nicht so weit zurückgehen. Auch in den frühen Jahren der Bundesrepublik erlebten Frauen, und das galt besonders für Sozialdemokratinnen, die an den demütigenden Zuständen etwas verändern wollten, Häme und Spott. Jeder einzelne Schritt zur Gleichberechtigung, die doch in der Verfassung verankert war, musste in der Praxis erkämpft werden gegen die schwarze Mehrheit.

 Und so wird der Gang durch die Ausstellung vor allem für ältere Frauen zum Gang durch die eigene Lebensgeschichte. Auf großen Tafeln liest man die Biografien von Frauen und versinkt in diesen Geschichten: Da ist zum Beispiel die wunderbare Käte Strobel, die erste Bundesministerin mit SPD-Parteibuch 1966: Sie sah aus wie eine freundliche Hausfrau, die sich vor allem um die Enkel kümmert.

 Aber was für ein politisches Talent und Temperament! Und was für ein Mut! Weil ohne höhere Bildung, wurde sie im Gesundheits- und Familienministerium von hochmütigen Beamten angefeindet, aber nicht lange. Sie brachte Gesetze für Lärmschutz und Luftreinheit auf den Weg, die Besserstellung nichtehelicher Kinder, vor allem aber war sie eine Tabubrecherin: Sie kämpfte wie so viele Mitstreiterinnen auch gegen den Paragraphen 218, sie brachte für die Schulen einen Sexualkundeatlas heraus, was für Entrüstungsstürme nicht nur beim Unionsgegner führte, sie setzte sich dafür ein, schon 16jährigen Mädchen die Pille zu verschreiben, sie ließ den Aufklärungsfilm „Helga“ drehen. Viele konservative Männer sahen das Ende des Abendlands heraufziehen.

Käte Strobel ist nur ein Beispiel von vielen, und als Jüngere steht man dankbar vor den Texttafeln und den Porträts der Malerin Maria Gimenez.  Die Generation der Töchter und Enkelinnen hat profitiert von diesen Frauen, die aufgewachsen waren in der Nazizeit. Ohne sie wäre wohl der Quotenbeschluss von 1988 nicht möglich gewesen, für den der damalige Parteivorsitzende Hans-Jochen Vogel sich kompromisslos eingesetzt hatte. Das Ergebnis: In der SPD-Bundestagsfraktion sind heute 39 Prozent aller Abgeordneten Frauen, im Parteivorstand sind es knapp 43 Prozent. Auch das zeigt uns die Ausstellung: Es lohnt sich also, für Gleichheit zu kämpfen oder, wie die einstige Bundesjustizministerin Herta Däubler-Gmelin das sagte: „Wer sich nicht selbst einbringt, braucht sich nicht darüber zu beschweren, dass Andere bestimmen.“     

Autor*in
Renate Faerber-Husemann

(† 2023) war freie Journalistin in Bonn und Erhard-Eppler-Biografin.

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