Kultur

Es war einmal ein Reaktor

von ohne Autor · 10. Juni 2013

Was passiert, wenn ein Umwelthistoriker und ein Kernphysiker ein Buch über die Geschichte der Atomwirtschaft schreiben? Mit Joachim Radkau und Lothar Hahn haben zwei anerkannte Experten auf ihrem Gebiet genau dies getan – und einen spannenden Insider-Report geliefert.

Das Gute an der Atomenergie ist, dass sie kaum 70 Jahre alt ist – und sich ihre Geschichte daher von ihrer Geburt an erzählen lässt. Joachim Radkau und Lothar Hahn, Historiker der eine, Physiker und ehemaliger Geschäftsführer der Gesellschaft für Anlagen- und Reaktorsicherheit der andere, werfen ein Licht auf die schwierige Verquickung zwischen ziviler Atomkraft und kriegerischer Atombombe.

Sie dröseln die Gruppendynamik der nuklearen Community der Nachkriegszeit auf und berichten über die damals herrschende Atomeuphorie, dass einem Leser von heute, der den tatsächlichen Lauf der Geschichte kennt, angesichts der bizarren Prognosen von damals die Kinnlade runterklappt. Und schließlich war auch die SPD vor atomaren Träumen nicht gefeit, versprach sie sich doch in ihrem Godesberger Programm den Wohlstand auf Erden dank nuklearer Energie.

Von Tschernobyl bis Fukushima

Das Autorenduo erklärt – auch für Laien lesbar und verständlich aufbereitet – die Unterschiede zwischen einzelnen Reaktortypen, diskutiert ihre Sicherheitstechnik und blickt auf eine Liste von Störfällen und Kernschmelzen von Tschernobyl und Fukushima.

Besonders aber spannt das Buch auch einen Bogen von Entstehung der Anti-Atom-Bewegung über das Vor und Zurück, das Hin und Her in der Atompolitik bis zum heutigen Tag. Ausgerechnet beim rot-grünen Atomkonsens oder den Merkel-Deals hält sich das Buch aber leider auffallend kurz – da hätten etwas mehr Recherche und Analyse nicht geschadet. So wird der historische rot-grüne Ausstiegsvertrag auf nur wenigen Seiten abgehandelt, als sei er das Selbstverständlichste der Welt gewesen. Das ist schade angesichts der ansonsten sehr intensiven und detailreichen Darstellung der Atomgeschichte.

Nur gelegentlich lassen die Autoren ihre persönliche Meinung durchschimmern, und nicht in jedem Detail braucht man mit ihnen einer Meinung zu sein. Aber ihr gut 400 Seiten starkes Buch ist weit entfernt davon, sich in einer ideologischen Abrechnung zu verstricken, sondern liefert einen kritischen und trotz seines Umfangs flüssig lesbaren Rückblick auf das Atomzeitalter.

Joachim Radkau/Lothar Hahn: Aufstieg und Fall der deutschen Atomwirtschaft. Oekom-Verlag 2013, 24,95 Euro, ISBN-13: 978-3-86581-315-2

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