Geschichte

Willy Brandt: Er machte den Frieden sicherer

von Heidemarie Wieczorek-Zeul · 23. Juli 2013

Auch nach der Kanzlerschaft setzte Willy Brandt seine Politik der Entspannung international fort. Heidemarie Wieczorek-Zeul, die ehemalige Bundesministerin für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung, erinnert sich an den sozialdemokratischen Weltpolitiker.

Ich habe Willy Brandt in der Zeit von 1974, als ich Juso-Bundesvorsitzende wurde, bis zu seinem Tod in seinen verschiedenen Aufgaben erlebt, ihn begleiten und mit ihm zusammenarbeiten dürfen. Er war der zivilisierteste Mensch, den ich jemals gekannt habe, natürlich manchmal verschlossen, aber immer auch wieder offen, bereit, zuzuhören und mir Zeit zum Sprechen und Rat zu geben, wo er gewünscht war.

Politisch faszinierte mich, wie sicher uns alle, dass er bereit war, um seiner politischen Überzeugungen willen, sein eigenes Schicksal, seine eigene politische Zukunft, sein Leben einzusetzen.

Unter seinem Vorsitz erarbeitete seit 1977 seine Nord-Süd-Kommission den Bericht „Das Überleben sichern“. Willy Brandt konnte dabei sein Denken aus der Überwindung der Ost-West-Konfrontation einbringen und deutlich machen, dass Friedenssicherung am ehesten durch Zusammenarbeit und mehr Gerechtigkeit gelinge. Der Bericht, den er 1980 dem UNO-Generalsekretär übergab, ist noch heute von brennender Aktualität.

Ich erinnere mich noch gut, dass ich ihn bat, über die Grundzüge des „Berichtes“ den Mitgliedern des „Europäischen Koordinierungsbüros der Internationalen Jugendverbände“, deren Vorsitzende ich zu dieser Zeit war, in Bonn bei unserer Tagung im Jahr 1978 zu berichten. Willys Perspektiven haben alle diese Verbände, seien sie die Vertreter der politischen Jugendorganisationen oder auch der kulturellen oder sportlichen Verbände, dauerhaft geprägt. In der internationalen Politik konnte der Bericht leider wenig umsetzen, da eine Phase der neuen Verhärtung zwischen Ost und West 1979 einsetzte. Ein Pendelschlag von fast drei Jahrzehnten neoliberaler Vorherrschaft zeichnete sich ab.

Brandt brach Tabus

Willy Brandt und Bruno Kreisky (Kreisky war stellvertretender SI-Vorsitzender von 1976 bis 1989; Brandt ihr Vorsitzender von 1976 bis zu seinem Tod 1992) unternahmen kühne Vorstöße in internationalen Fragen, z.B. zur Frage der Anerkennung der Rechte der Palästinenser und einer Nahost- und Friedensregelung ohne Tabus. 1979 trafen sie in Wien mit Jassir Arafat, dem Vorsitzenden der Palästinensischen Befreiungsorganisation (PLO), zusammen, die damals allgemein noch als Terrororganisation betrachtet wurde. Ein Signal für einen Nahost-Friedensplan, der nicht nur die israelischen Sicherheitsbedürfnisse, sondern auch die Rechte der Palästinenser berücksichtigt sehen wollte.

Und schließlich: Willy Brandt führte 1979 die SPD-Liste an für das erstmals direkt gewählte Europäische Parlament. Ich hatte die Chance auf der Liste ins Europäische Parlament einzuziehen, auch weil Willy Brandt seine Spitzenkandidatur verknüpfte mit der Forderung, dass 25 Prozent Frauen auf der Liste vertreten sein sollten. In der kurzen Zeit seiner Arbeit im Europäischen Parlament war er als ein Staatsmann ohne Staatsamt Impulsgeber und Leuchtturm für alle – über alle Fraktionen hinweg – , die Hoffnungen auf ein geeintes Europa setzten, auf die Aufnahme neuer Demokratien in die Europäische Union und auf eine Europäische Union, die Frieden in die internationalen Beziehungen „exportieren“ sollte.

In der Oppositionszeit nach 1982 brachte uns eine enge Zusammenarbeit in der Programmkommission zur Erarbeitung eines neuen Grundsatzprogramms der SPD zusammen. Dabei ging es sowohl in der Sache um die Reaktion auf neue weltgeschichtliche Realitäten, um einen neuen Impuls für Europa als auch um eine Botschaft der Öffnung und Offenheit der SPD an die Frauenbewegung und die Friedensbewegung!

Meine Überzeugungen sind durch Willy Brandt geprägt: Was die SPD im Innersten zusammenhält, bei allen unterschiedlichen Auffassungen in Sachthemen, sind ihre Wertorientierungen. Nur sie sichern den Zusammenhalt! Und als Entwicklungsministerin habe ich versucht, seine Lehren in der internationalen Politik umzusetzen: Armut bekämpfen, Frieden sichern, Globalisierung gerecht gestalten!

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Autor*in
Heidemarie Wieczorek-Zeul

war von 1974 bis 1977 die erste weibliche Bundesvorsitzende der Jusos und von 1998 bis 2009 Bundesministerin für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung. Sie ist Mitglied im Vorstand des Willy-Brandt-Kreises.

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