Die Zahlen sind erschreckend. Fast jeder vierte Jugendliche in Europa hat keine Arbeit. Im Süden ist die Quote noch deutlich höher. Hannes Swoboda, SPE-Chef im EU-Parlament, fordert deshalb einen engagierteren Kampf der europäischen Regierungen gegen die Jugendarbeitslosigkeit.
vorwärts.de: Herr Swoboda, alle Welt spricht vom Euro, kaum jemand von Europas Jugendlichen, von denen in einigen EU-Regionen jeder Zweite keinen Ausbildungs- und Arbeitsplatz findet. Woran liegt das?
Hannes Swoboda: Die Politik hat in vielen Fällen nicht mehr die Sensoren, wo die wirklichen Probleme sind. Die Politiker reden zu oft nur noch miteinander oder mit Vertretern der Hochfinanz, aber nicht mit Arbeitssuchenden.
Sie fordern einen wesentlich engagierteren Kampf Europas gegen die Jugendarbeitslosigkeit. Welche Kompetenzen und Mittel hat die EU in diesem Bereich?
Sie sind begrenzt. Umso wichtiger, dass wir in unserem Kampf um das europäische Budget ausreichende Mittel zum Kampf gegen die Jugendarbeitslosigkeit durchsetzen. Wichtig ist auch, den Informationsaustausch zwischen den Nordländern, die eine geringere Jugendarbeitslosigkeit haben, und den Südländern zu organisieren. Das kann nur Europa.
Die EU will mit dem „Jugendgarantie“ Programm allen Jugendlichen unter 25 Jahren, die vier Monate ohne Job sind, eine Ausbildung oder ein Praktikum ermöglichen. Wie soll das geschehen?
Alle Länder sollen sich dazu verpflichten, freiwillig. Die EU kann sie dazu nicht zwingen. Die Mitgliedsländer müssen solche Programme finanzieren. Die EU kann sie dabei unterstützen, etwa mit Mitteln aus dem Sozialfonds.
Wie realistisch ist eine solche Garantie für Länder wie Griechenland, Portugal oder Spanien?
Sie ist realistisch, wenn die Programme ausreichend finanziert sind. Wir Sozialdemokraten wollen deshalb: Ausgaben, die ein Land zur Bekämpfung der Jugendarbeitslosigkeit einsetzt, müssen bei der Defizitberechnung herausgenommen werden. Es kann nicht sein, dass ein Land sanktioniert wird, weil es in Wachstum und Arbeitsplätze investiert.
Die EU empfiehlt ihren Mitgliedsländern, sich am deutschen Vorbild des dualen Ausbildungssystems zu orientieren. Ein solcher Aufbau würde Jahre dauern. Haben die betroffenen Länder diese Zeit überhaupt noch?
Sie haben keine Zeit mehr zu verlieren. Wir wären schon einen Schritt weiter, würde die Regierung Merkel die anderen Länder nicht mit der Peitsche zum sparen treiben, sondern seine gut funktionierenden Modelle einbringen. Wir brauchen Zusammenarbeit, keine Besserwisserei.
Brüssel fordert mehr Mobilität der Jugendlichen. Ist der Fortzug vieler tausend junger Menschen, etwa von Spanien nach Deutschland, die Lösung?
Nein, das ist ein Tropfen auf den heißen Stein. Diese Migration ist dann sinnvoll, wenn zugleich Strategien entwickelt werden, die jungen Menschen wieder in den heimischen Arbeitsmarkt zu re-integrieren, um hier die Wirtschaft wieder aufzubauen.
Gute Erfahrungen hat Europa gemacht beim Austausch Studierender mit dem Erasmus-Programm. Wann wird es so etwas auch für Auszubildende geben?
Das planen wir. Auch damit Europa nicht nur ein Projekt der Bildungseliten bleibt, sondern auch Lehrlinge konkret erleben, wie Europa ihnen hilft.
Wenn Sie eine Prognose wagen: Wird Europa das Problem der Jugendarbeitslosigkeit in den Griff bekommen oder wird es daran scheitern?
Wir dürfen nicht scheitern. Ich hoffe auf einen Regierungswechsel in Deutschland. Damit Europa endlich auch eine soziale Union wird, damit Mindestlöhne durchgesetzt werden und Armut bekämpft wird. Und damit wir in Europa endlich wieder miteinander reden und nicht nur übereinander.
ist Chefredakteurin des "vorwärts" und der DEMO – Das sozialdemokratische Magazin für Kommunalpolitik sowie Geschäftsführerin des Berliner vorwärts-Verlags.