Inland

NSU - Böhnhardts Mutter: „Es tut mir unendlich leid“

von Thomas Horsmann · 22. November 2013

Die Vernehmung von Brigitte Böhnhardt, der Mutter des NSU-Terroristen Uwe Böhnhardt, beherrscht die Woche im NSU-Prozess. Böhnhardt zeichnete das Bild eines verlorenen Sohnes und belastete Beate Zschäpe. Den Opfern des NSU drückte sie ihr Mitgefühl aus.

Volle zwei Tage wurde Brigitte Böhnhardt, die Mutter des mutmaßlichen NSU-Terroristen Uwe Böhnhardt, vernommen. Die ehemalige Lehrerin wirkte gefasst, sprach ruhig und deutlich. Sie zeigte sich allerdings immer wieder irritiert, dass das Gericht „Privates“ von ihr wissen wolle. Den Nachfragen von Richter Manfred Götzl beugte sie sich jedoch.  

Vor Gericht schilderte sie den langsamen Abstieg ihres Sohnes vom behüteten Nesthäkchen, das von allen geliebt worden sei, über den Schulschwänzer, der sich lieber mit älteren Freunden herumtrieb und kleine Diebstähle beging, zum Rechtsradikalen. Sie beschrieb auch wie unermüdlich sie jahrelang um ihren Sohn kämpfte, selbst dann noch, als er mit den anderen beiden Mitgliedern des NSU-Trios im Untergrund lebte.

Die Schuld der anderen

Die Schuld daran, dass ihr Sohn immer weiter abglitt, sieht Brigitte Böhnhardt zum guten Teil bei anderen, bei den Lehrern, denen nach der Wende alles nur noch egal gewesen sei, bei den Schulen, die ihren aufsässigen Sohn bald nicht mehr unterrichten wollten, beim Jugendamt, das nichts unternommen habe. Unermüdlich habe sie auf Uwe eingewirkt, aus sich etwas zu machen, sich nicht hängen zu lassen. „Wir haben versucht Uwe zu zeigen, dass er von uns geliebt wird“, sagte Böhnhardt, doch es habe alles nichts genützt.

Nach der ersten Gefängnisstrafe habe Uwe sich gebessert. Da habe die Familie Hoffnung gehabt, dass nun alles gut werde. Uwe habe eine Lehre auf dem Bau erfolgreich abgeschlossen, sei dann jedoch arbeitslos gewesen. In dieser Zeit habe er neue Freunde gefunden. Die seien auch alle arbeitslos gewesen: Ralf Wohlleben, Uwe Mundlos, Beate Zschäpe, „alles nette, höfliche junge Leute“.

Beate Zschäpe sei die erste Freundin ihres Sohnes gewesen. Das Verhältnis der beiden könne sie mit einem Wort beschreiben: „Kuschelig“. Sie habe geglaubt, so Brigitte Böhnhardt, bei Beate sei ihr Sohn in guten Händen. Während Uwe Mundlos offen rechts gewesen sei, habe Zschäpe nie über rechtes Gedankengut geredet und sich auch nicht so gekleidet. 

Große Angst vor dem Gefängnis

Dass ihr Sohn nach einer Razzia 1998, bei der Sprengstoff in einer Garage gefunden worden war, untertauchte, kann sich Brigitte Böhnhardt nur so erklären, dass er große Angst gehabt habe, wieder ins Gefängnis zu müssen. Warum Beate Zschäpe und Uwe Mundlos auch in den Untergrund gegangen seien, habe sie sich nicht erklären können.

Sie habe sofort versucht, Kontakt zu den Untergetauchten aufzunehmen. Doch erst Monate später habe sie einen Zettel im Briefkasten gefunden, mit der Anweisung zu einer Telefonzelle zu kommen. Dort habe ihr Sohn angerufen. Sofort habe sie ihn beschworen sich zu stellen. Doch Uwe habe dies abgelehnt.

Ende 1998 hätten Verfassungsschutz und Staatsanwaltschaft sie angesprochen, dem Trio ein Angebot zu unterbreiten. Bei weiteren Telefonaten habe sie dies auch getan. Während ihr Sohn und Beate Zschäpe dafür gewesen seien, sei Uwe Mundlos dagegen gewesen. Die drei hätten dies immer gemeinsam entschieden. Sie könne sich nicht vorstellen, dass Beate Zschäpe die Gruppe dominiert habe, alle seien gleichberechtigt gewesen, so Brigitte Böhnhardt. Diese Aussage stützt die Anklage gegen Beate Zschäpe, die von einer Mittäterschaft an den NSU-Morden ausgeht. 

Drei Treffen mit dem NSU

Drei Mal traf sich Brigitte Böhnhardt mit dem untergetauchten NSU-Trio, 1999, 2000 und 2002. Beim letzten Treffen hätten die drei ihr gesagt, dass sie weggehen würden. Das sei das letzte Lebenszeichen gewesen, das sie von ihrem Sohn bekommen habe.

Vom Tod ihres Sohnes habe sie am Morgen des 5. Novembers 2011, einen Tag nach dem gemeinsamen Selbstmord der beiden Uwes, durch Beate Zschäpe erfahren. Für diesen Anruf sei sie ihr dankbar.

Am zweiten Tag ihrer Vernehmung fand Brigitte Böhnhardt auch Worte für die Angehörigen der Opfer. Sie empfinde nicht nur Mitleid, sondern ganz tiefes Mitgefühl für die Familien der Opfer. Es tue ihr unendlich leid und sie würde viel darum geben, es ungeschehen zu machen. 

V-Mann soll NSU-Trio geholfen haben

Am Ende der Verhandlungswoche begann die Vernehmung des Rechtsextremisten André K. aus Thüringen. Der 38jährige galt in den 1990er Jahren als einer der Hauptfiguren der Nazi-Szene in Thüringen und war Mitgründer der rechten Gruppen „Kameradschaft Jena“ und „Thüringer Heimatschutz“. Mit dabei waren damals die Angeklagten Ralf Wohlleben, Beate Zschäpe und Holger G. – und Uwe Böhnhardt und Uwe Mundlos. Die „Konstante“ dieser losen Gruppen seien er und Wohlleben gewesen, sagte K.. Uwe Mundlos beschrieb er als charakterstark, Uwe Böhnhardt als nicht dumm. Beate Zschäpe habe er menschlich sehr geschätzt.

Bei seiner Aussage belastete K. den später enttarnten V-Mann des Thüringer Verfassungsschutzes Tino Brandt, damals einer der aktivsten Neo-Nazis in Thüringen. Der habe ihn beauftragt, gefälschte Pässe für das untergetauchte NSU-Trio zu besorgen. Bei der Polizei hatte K. noch ausgesagt, dass Wohlleben ihn damit beauftragt habe. Auch K. gehörte zu den ersten Helfern und telefonierte ein paar Mal mit einem der Uwes. Dabei sei es immer um eine Flucht ins Ausland gegangen. Er habe sich dann jedoch aus „Selbstschutz“ zurückgezogen.

Obwohl K. viel erzählte, blieb vieles im Vagen. Immer wenn es konkret werden sollte, hatte er Gedächtnislücken. Richter Götzl war damit nicht zufrieden, viele Fragen bleiben offen. Die Vernehmung soll deshalb fortgesetzt werden.

Autor*in
Avatar
Thomas Horsmann

ist freier Journalist und Redakteur.

 

0 Kommentare
Noch keine Kommentare