Inland

Wenn Mama keine Zeit hat

von Sarah Schönewolf · 22. November 2013

Kinder brauchen Aufmerksamkeit, Zeit und Zuwendung. Können Eltern diese nicht ausreichend geben, hilft Miko e.V. in Strausberg bei Berlin. Für sein Patenprojekt „ Du & Ich“ wird der Verein am 2. Dezember mit dem Regine-Hildebrandt-Preis ausgezeichnet.

Die grünen Augen von Antje Knössl leuchten, wenn sie von der Persönlichkeit und der patenten Art der 2001 verstorbenen SPD-Politikerin Regine Hildebrandt spricht. „Regine Hildebrandt war eine tolle Frau. Für mich ist die Auszeichnung meine Oscarverleihung“, sagt Knössl. Am 2. Dezember wird die 43-jährige Strausbergerin im Willy-Brandt-Haus in Berlin den diesjährigen Regine-Hildebrandt-Preis stellvertretend für den Verein Miko e.V. entgegennehmen.

Die SPD und das Forum Ostdeutschland verleihen den mit 20000 dotierten Preis an gesellschaftliche Gruppen und Personen, die für Ostdeutschland und für die innere Einheit Deutschlands, gegen Rechtsextremismus und Gewalt wirken und für Frieden, Freiheit und soziale Gerechtigkeit eintreten. Die diesjährigen Preisträger sind der Verein AKuBiz aus Pirna, (zum Artikel), der Koblenzer Verein Gemeinsam Wohnen und der Verein Miko e.V., der von Antje Knössl mitgegründet wurde.

Wie Regine Hildebrandt offen auf Menschen zuzugehen, das ist der Ansatz der Strausberger. Die Idee von Miko, die Kurzform für „Menschen in Kooperation“, ist einfach: Sie basiert auf der Vorstellung einer solidarischen Gesellschaft, in der einer den anderen unterstützt und auch ein wenig auf dem afrikanischen Sprichwort, wonach es ein ganzes Dorf braucht, um ein Kind zu erziehen. Es ist kein ganzes Dorf, das Miko überforderten Eltern zur Seite stellt, aber zumindest einen Mensch, der sich kümmert. Ein Pate, eine Patin, die sich Zeit und Aufmerksamkeit für ein fremdes Kind nimmt. Unterstützung, die die Kinder zuhause oft schmerzlich vermissen.

Die erste Rolltreppe

„Den Kindern ist eigentlich ganz egal, wer da kommt. Hauptsache, da kommt überhaupt einer,“ sagt Antje Knössl, die die Patenschaften vermittelt. 29 Paten im Altern von 14 bis 73 Jahren sind es mittlerweile, die sich um 31 Kinder aus Strausberg kümmern. Wer eine Patenschaft übernehmen will, hauptsächlich sind es Frauen, wird vom Verein sorgsam geprüft. Potentielle Paten müssen einen großes polizeiliches Führungszeugnis vorlegen, ihre Motivation begründen und an Fortbildungen etwa zur pädagogischen Kommunikation teilnehmen. Erst im Anschluss lernen sich Patenkind, Eltern und Pate kennen.

Vier bis sechs Stunden in der Woche verbringen die Ehrenamtlichen mit ihren Patenkindern, die zwischen vier und zwölf Jahren alt sind. Spazieren gehen, eine Bibliothek besuchen oder auch zusammen lesen: Die gemeinsame Aktivitäten richten sich nach dem Betreuungsbedarf des Kindes. „Wir hatten Paten, die sind mit ihren Kindern nach Berlin gefahren sind, um dort mit ihrem Patenkind Rolltreppe zu fahren“, sagt Knössl. Das erste Mal Rolltreppe fahren –  das 12-jährige Patenkind „habe sich nicht mehr eingekriegt“.

Vor- statt Nachsorge

Antje Knössl kann viele solcher Beispiele nennen, bei denen die Notwendigkeit von Miko deutlich wird: Etwa dann, wenn eine Alleinerziehende in Berlin arbeitet und ihr Kind nicht rechtzeitig von der Kita im 40 Kilometer entfernten Strausberg abholen kann. Oder wenn ein Kind aus Jordanien kommt, kein Deutsch spricht und ihm die Eltern auch nicht mit den Hausaufgaben helfen können. „Mit unserer Arbeit verhindern wir, dass die Kinder später ein Fall für die Jugendhilfe werden“, erklärt die Projektmanagerin von Miko. „Das ist auch viel kostenökonomischer.“

Trotz der wichtigen Vorsorgearbeit, die der Verein leistet, steht die komplette Finanzierung für das nächste Jahr noch nicht. Antje Knössl wird deswegen am 2.Dezember auch Spendendosen ins Willy-Brandt-Haus nach Berlin mitnehmen. Einen Teil des Preisgeldes will sie in eine Weihnachtsfeier für die Paten investieren.

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Sarah Schönewolf
Sarah Schönewolf

ist Diplom-Politologin und Redakteurin des vorwärts.

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