In der alten Bundesrepublik und in der untergegangenen DDR haben sie dem Publikum die Leviten gelesen: Peter Ensikat, der den Ostdeutschen den Spiegel vors Gesicht hielt, und Dieter Hildebrandt, der böse Spötter im Westen. Im August 2012 haben sie zusammen einen Dialog zu Buche gebracht, der in der Sprache der Warentester das Prädikat „sehr empfehlenswert“ verdient.

Sie reden miteinander und nicht nur übereinander. Beide verfügen über Vor-1990-Erfahrungen im je anderen Teil des Vaterlandes, das sie regelmäßig aufsuchten, um ihre Pointen jenseits der Grenze zu testen. Der Jüngere der beiden Kabarettisten, Ensikat, ist 2012 verstorben, so dass man in dem sorgsam redigierten Band gewissermaßen sein Vermächtnis sehen darf. Eines, über das man – wir haben es ja mit einem ausgewiesenen Kabarettisten zu tun – lachen kann. Schmunzeln. Hämisch losprusten. Vor allem aber an dieser oder jener Stelle: Ins Grübeln kommen und nachdenken.

Je schlechter das Gedächtnis ...

Und noch ein Dialog? Haben wir davon im Zeitalter der Monsterinterviews und Talkshows nicht schon genug? So denkt man anfangs. Wer 15 Seiten gelesen hat, merkt, dass da zwei miteinander parlieren, die man in früheren Zeiten als Weise bezeichnet hätte.

Ensikat hat sich zeitlebens zwischen allen Stühlen am wohlsten gefühlt. Mit der SED, deren Mitglied er nie geworden ist, kam er nicht klar, auch wenn ihm der antifaschistische Grundkonsens der DDR imponierte. Erich Kästner hat er schon als Kind verschlungen. Bertolt Brecht, Arnold Zweig, Anna Seghers: Dass sie sich nach 1945 im realsozialistischen Deutschland niederließen, das waren für ihn „Argumente, die für die DDR sprachen. Wenn diese Leute in den Osten gekommen waren, musste das doch Gründe haben“.

Ensikat hat jahrelang für das Berliner Kabarett „Distel“ gearbeitet, dessen künstlerischer Leiter er schließlich von 1996 bis 2006 war. Sehr vergnüglich zu lesen, wie der tägliche Kampf mit der Zensur der Vorwendezeit aussah und welcher Tricks er sich bediente, um die „Anleiter“ auszutricksen. Von dem produktiven Geist, der neben Kabarett auch Drehbücher schrieb und als Schauspieler bekannt wurde, stammt der schöne Satz: „Je schlechter das Gedächtnis, desto schöner die Erinnerungen.“

„Euer geballtes Mittelmaß“

Hildebrandt ist einer der Gründer der Münchener „Lach- und Schießgesellschaft“ und mit der Fernsehsendung „Scheibenwischer“ bekannt geworden, die regelmäßig einige Woche vor Bundestagswahlen abgeschaltet wurde. Bissig hat er sich seit den 1950er-Jahren mit restaurativen Tendenzen auseinandergesetzt: „Es war ja sehr schnell zu merken, dass die amerikanische Politik Westdeutschland als Bollwerk gegen den Kommunismus ausbauen wollte, im Verein mit der katholischen Kirche.“ Hildebrandt hat sich immer als linksstehend begriffen und gehört mit Konstantin Wecker zu den Trägern des „garantiert werbefreien“ Projekts „störsender.tv“.

Fröhliches Destruieren: In der DDR, resümiert Ensikat, habe man die immerwährende Gleichmacherei beklagt: „Das Mittelmaß regierte.“ Aber was passierte, als die Mauer fiel? „Kaum treten wir der Bundesrepublik bei, was schickt ihr uns zuerst? Euer geballtes Mittelmaß.“ Dieses sei „dann zum Beispiel beim MDR“ untergekommen. So ein Pech aber auch.

Dieter Hildebrandt/Peter Ensikat, Wie haben wir gelacht. Ansichten zweier Clowns. Aufbau Verlag, Berlin 2013, 214 Seiten, 19,99 Euro. ISBN 978-3-351-02760-5

 

 

Autor*in
Matthias Dohmen

Matthias Dohmen hat Germanistik, Geschichte, Politologie und Philosophie studiert, arbeitet als freier Journalist und ist 2015 mit einer Arbeit über die Rolle der Historiker West und Ost im "deutschen Geschichtskrieg" promoviert worden.

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