Einen „eigentlichen Erwählten des Volkes, Präsidenten einer unsichtbaren deutschen Republik, den Gegenkaiser der Massen“ hat der später von den Nazis ermordete Publizist Carl von Ossietzky August Bebel genannt. Wer war der Mann? Eine gelungene Biografie des legendären SPD-Vorsitzenden ausgangs des letzten Jahrhunderts ist im Rotpunktverlag erschienen.
Dem begnadeten Arbeiterführer rief die „New York Times“ am 14. August 1913 anerkennend nach, „dass er fast die ganze Zeit über in der Lager war, die Flügel der Partei zusammenzuhalten“. Also jener SPD, die über dem Streitpunkt der Ablehnung der Kriegskredite 1914 oder ihrer Zustimmung auseinanderbrach. Da war Bebel gerade ein paar Monate tot. Man muss es Jürgen Schmidt hoch anrechnen, dass er nicht eine weitere Theorie darüber abliefert, ob Bebel den Bruch hätte verhindern und wohin er, wenn denn die Spaltung unvermeidlich war, gegangen wäre. Der Biograf hält sich an die Fakten.
Ein Mann von Humor
Der gelernte Drechsler Bebel muss ein Mann von unbändigem Humor gewesen sein. Auf dem internationalen Sozialistenkongress in Amsterdam 1904 zog er in der Polemik gegen den französischen Sozialdemokraten Jean Jaurès alle Register der Ironie und des Sarkasmus, so dass das Protokoll sieben Mal „Heiterkeit“, darunter mehrfach „große Heiterkeit“ registrierte.
„Diesem System keinen Mann und keinen Groschen“, dieses Wort aus der Reichstagsmilitärdebatte von 1887 gehört zu den bekanntesten Aussagen Bebels. Zeitlebens war er ein Politiker, der einer weitreichenden Friedenspolitik das Wort redete: „Die Hauptsache ist, dass die Mittel für die Rüstungen beschränkt werden, ohne dies ist keine Verständigung möglich.“
Mit Herzblut und analytischem Verstand setzte er sich für die Völker der – heute würden wir sagen – Dritten Welt ein, so 1905 für die Hereros in Deutsch-Südwestafrika. Im Parlament rief er aus: „Meine Herren, das Recht zum Aufstand, das Recht auf Revolution hat jedes Volk und jede Völkerschaft, die sich in ihren Menschenrechten aufs alleräußerste bedrückt fühlt. (Sehr richtig! bei den Sozialdemokraten)“.
Der Nachruhm war ihm nicht egal
Eine Menge Parallelen zu seinem berühmten Nachfolger Willy Brandt tun sich auf. Beide waren im übrigen damit beschäftigt, sich Gedanken über ihren Nachruhm zu machen, zu dem bei Bebel vor allem das 1879 erstmalig erschienenes Hauptwerk „Die Frau und der Sozialismus“ beitrug, welches ein echter Best- und Longseller werden sollte.
Mitten im Buch finden sich eine Reihe klug ausgewählter Fotos. Eine Zeittafel, sparsame, aber richtig gesetzte Anmerkungen, Kurzporträts von Zeitgenossen, eine Literaturliste und eine Kurzbiografie des Autors runden das Buch über Bebel ab. Über den sein Mitstreiter Hermann Molkenbuhr vier Tage nach dessen Tod in sein Tagebuch notierte: „Ein glücklicher Mensch ist aus dem Leben geschieden. Welcher Mensch kann sagen, dass er so viele Erfolge in seinem Leben gehabt hat?“
Jürgen Schmidt: "August Bebel – Kaiser der Arbeiter. Eine Biografie", Rotpunktverlag, München 2013, 285 Seiten, 27 Euro, ISBN 978-3-85869-538-3
Matthias Dohmen hat Germanistik, Geschichte, Politologie und Philosophie studiert, arbeitet als freier Journalist und ist 2015 mit einer Arbeit über die Rolle der Historiker West und Ost im "deutschen Geschichtskrieg" promoviert worden.