Die Tatsache ist bezeichnend: "Die Armutsforschung hat sich in den letzten Jahren zu einem lebendigen Zweig der Sozialforschung entwickelt." Dies hat, schreibt Bude, jedoch weniger damit zu
tun, dass die Menschen weniger Geld in der Tasche haben, sondern vielmehr damit, dass sie sozial arm sind. Ihr Freundeskreis wird immer kleiner, ihr Gesundheitszustand verschlechtert sich - "Armut
ist ein außerordentlich komplexer sozialer Sachverhalt".
Diesem nähert sich der Soziologe aus verschiedenen Blickwinkeln. Schlaglichtartig schaut er sich unterschiedliche Gruppen der Ausgeschlossenen an: die allein erziehenden Mütter, die
"ausbildungsmüden" Jugendlichen oder die "verwilderten Jungmänner". Bude schlägt einen Bogen von den Nazitreffs im Osten zu den Ausländergangs in Berliner Bezirk Neukölln, die auf den ersten Blick
gegensätzlicher nicht sein könnten. Bei genauerem Hinsehen erkennt der Leser jedoch ihre Gemeinsamkeiten: Sie wehren sich gegen die gesellschaftliche Ausgrenzung, indem sie ein eigenes
Gruppengefühl erzeugen und ausleben.
Durch die Segregation entsteht ein Gegensatz zwischen denjenigen, die "drin" sind und denjenigen, die ausgeschlossen werden. Wer drinnen ist, tut alles, auch dort zu bleiben: Ein Kampf um die
Plätze in der Gesellschaft zwischen den Gruppen ist das Ergebnis.
Die Armen von morgen
Bude lokalisiert und benennt in seinem Buch die institutionelle Problempunkte in der Gesellschaft, die den Ausschluss fördern und bewusst in Kauf nehmen - etwa das dreigliedrige Schulsystem.
Er betrachtet die Gesellschaft nicht durch die Brille des Politikers, sondern durch die des Soziologen. Dabei gleitet Bude jedoch selten in soziologischen Fachjargon ab, sondern bleibt größtenteils
allgemeinverständlich. Die teilweise komplexe Satzstruktur versperrt jedoch manchmal den Blick auf den hochinteressanten Inhalt.
Dass der Autor alle Thesen mit Zahlen untermauert, hemmt den Lesefluss kaum, sondern ist vielmehr sogar notwendig, um seiner Sichtweise zusätzliches Gewicht zu verleihen.
"Die Ausgeschlossenen von heute sind die Armen von morgen." So lautet Budes präzises wie erschreckendes Fazit. Zeit, etwas zu unternehmen, denn jeder kann plötzlich nicht mehr "drin" sein.
Heinz Bude: Die Ausgeschlossenen, Hanser Verlag 2008, ISBN 978-3446230118, 14,90 Euro
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