Kultur

Lobbyisten – Eckpfeiler oder Schwachstelle unserer Demokratie?

von Dagmar Günther · 9. Oktober 2007

Machtgewaltig, gewieft und öffentlichkeitsscheu setzen sie skrupellos die Interessen finanzstarker Wirtschaftskonzerne zu Lasten der Bevölkerung durch: die Lobbyisten. Anhand zahlreicher Wortmeldungen von Politikern und Lobbyvertretern verschiedenster Couleur legt König bereits in den ersten drei Kapiteln seines Werks das für ihn im Mittelpunkt der Lobbyismus-Debatte stehende Problem offen: Weil Politiker mit der Fülle von Spezialthemen, die sie im Gesetzgebungsprozess zu behandeln haben, heillos überfordert seien, seien sie auf die professionelle Beratung durch Fachexperten angewiesen.

Kritik berechtigt...

An dieser Stelle erkennt der Sozialpädagoge zu Recht, aber sicher nicht als erster, das Einfallstor für zahlreiche einflussreiche Partikularinteressen. Wenn Gesetze im Parlament verabschiedet werden sollen, wirken Lobbyisten als professionelle Interessendienstleister schon weit im Vorfeld auf Abgeordnete und Ministerialbeamte ein. Und ihr Druck auf die Politiker wächst unaufhaltsam - national wie international. Mehr als 6000 Lobbyisten agieren in Berlin, 15 000 in Brüssel, 27 000 in Washington. Das Ergebnis: Viele Gesetze sind - bis hin zum Wortlaut! - deren unmittelbares Werk.

In seinem historischem Überblick zur den Lobbyingstrukturen von den Anfängen des Parlamentarismus bis heute wird Königs politisch-ideologisches Profil, das die Grundlage seiner harschen Auseinandersetzung mit dem Thema Lobbyismus bildet, immer deutlicher: Radikal kritisiert er das kapitalistische Wirtschaftssystem. Dieses höhle seit der Mitte der 70er Jahre den deutschen Sozialstaat zunehmend aus. Gewinnstreben und Einzelinteressen hebelten die Bürgerrechte Freiheit, Gleichheit, Solidarität aus. Letztlich gipfele die enge Verflechtung von Wirtschaft und Politik heute in einer sozialdarwinistischen "Technodemokratie", deren wesentliche Träger Lobbyisten seien.

... aber zu pauschal

Insgesamt erscheint Königs Frage nach der demokratischen Legitimation heutiger Politik angesichts der starken Einflussnahme der Wirtschaftslobby als absolut berechtigt! Trotzdem fällt sein Urteil allzu pauschal aus, wenn er behauptet, dass Lobbyismus undemokratisch und zudem "die Übergänge zwischen Beratung, Lobbying und Korruption fließend" seien. So gerät dem Sozialpädagogen die gewonnene Erkenntnis, dass professionelle Beratung von Politik notwendig ist, relativ schnell aus dem Blick. Er verfällt in eine ideologische und teilweise polemische Kapitalismuskritik. Auch wenn Königs Analyse der Funktionsstrukturen des Lobbyismus durchaus plausibel und nachvollziehbar wirkt, enthüllen seine Recherchen kein wirklich neues Problem. Zudem gerät Königs Vorschlag einer Stärkung zivilgesellschaftlichen Engagements durch direktdemokratische Elemente am Ende des Buches sehr kurz und äußerst skizzenhaft. Von einem konkret umsetzbaren Lösungsansatz kann hier leider nicht die Rede sein.

Tobias Quast

Johann-Günther König: Die Lobbyisten. Wer regiert uns wirklich?; Patmos Verlag, Düsseldorf, 2007; 19,90 Euro; ISBN 978-3-491-36005-1

Autor*in
Dagmar Günther

war bis Juni 2022 Chefin vom Dienst des vorwärts.

0 Kommentare
Noch keine Kommentare