Nach der Telekommunikation und der Stromwirtschaft sind nun auch Trink- und Abwasserwirtschaft ins Visier großer Unternehmen geraten und die Politik treibt mitunter die Liberalisierung des
Wassermarkts voran. Die Wasserversorgung wird sich weltweit weiter verschärfen, einmal durch Veränderungen des Wasserkreislaufs und auch durch Konflikte um die Ressource Wasser.
"Berlin riecht man auf neun Kilometer"
Im neuen Buch "Hydropolis", herausgegeben von der Soziologin Susanne Frank (HU Berlin) und dem Geografen Matthew Gandy (University College London), wird das Verhältnis von Wasser, Stadt und
Moderne facherübergreifend betrachtet, z.B. aus geografischer, soziologischer, politischer und ökologischer Perspektive. So schreiben im ersten Teil des Buchs der Georgraf Matthew Gandy und der
Biologe Engelbert Schramm von der Auflösung traditioneller Leitbilder wie "Kreislauf" oder "Netz".
In einem zweiten Abschnitt wird gezeigt, wie bedeutsam sauberes Wasser und sanitäre Reformen für die deutschen Kommunen seit 1870 war und wie Wasser und Abwasser mit Gesundheitsverhältnissen
abhängt, so Umwelthistoriker Jürgen Büschenfeld. Das Wachsen der Städte führte nämlich auch zu mehr Abwasser und mehr Fäkalien. "Berlin riecht man auf neun Kilometer", so Carl von Linné 1770.
Durch Wasserprivatisierung wenig Verbesserungen für Verbraucher
Das Kernstück des guten Buchs ist jedoch der dritte Teil: Der Umwelttechniker Shahrooz Mohajeri analysiert die Motive der Teilprivatisierung der Wasserbetriebe Berlins 1999 - damals gingen
49,9 Prozent für drei Milliarden Mark an Veolia. Die Stadtverwaltung hat nun geringeren Einfluss bei Wasserentscheidungen und für den Verbraucher sind Verbesserungen nach der Privatisierung nicht
eingetreten, so Mohajeri skeptisch.
Sehr interessant auch ist der Beitrag der Politologin Kimberly Fitch, die Deutschland und Frankreich gegenüber-stellt. Im zentralistischen Frankreich mit schwachen Kommunen werden 75 Prozent
des Wassers von Privaten bezogen, in Deutschland kommen 18 Prozent des Wassers aus privater Hand. Hierzulande haben Verwaltungen und Bürgergesellschaft (starke Städte) ein höheres Gewicht, so dass
die Wasserversorgung mehr öffentlich bleibt.
Wasserversorgung in schrumpfenden Städten
Der Politologe Matthias Bernt und der Geograf Matthias Neumann warnen vor dramatischen Folgen der Versorgung in schrumpfenden Städten: Die Gebühren steigen, Unternehmen vermeiden
Modernisierungen und die Trägerschaft der Wasserversorgung wird heterogener. Im letzten Teil des Buchs werden Wasserprobleme in Megacities besprochen, wie das Wassersystem in Jakarta (Indonesien),
in Guayaquil (Ecuador), in Tanger (Marokko) und in Lagos (Nigeria).
Das Buch ist sehr anregend und durch die Beiträge im Mittelteil bleibt es verbunden mit der politischen Praxis -unverzichtbar, um einen Überblick über Wasser, Stadt und die Moderne zu
erhalten.
Daniel Krüger
Susanne Frank/Matthew Gandy: Hydropolis. Wasser und die Stadt der Moderne, Campus, ISBN: 359338003x, 39,90 Euro.
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