Von Mechtild Rothe
Hinzu kommt, dass Collignon dies in einer beeindruckenden Ideen- und Wissensdichte darlegt: Das Buch umfasst gerade einmal 180 Seiten, enthält nichts überflüssiges, sondern im Gegenteil eine
straffe Analyse sowie neue wichtige Denkanstöße.
Kein Platz für Neoliberalismus
"Europa braucht mehr Demokratie" ist ein Leitsatz, der implizit auch die Abkehr vom Neoliberalismus verordnet, denn: "Für die neoliberale Theorie hat die Europäische Republik keinen Platz."
Collignon, anerkannter Ökonom, rechnet mit der "ideologischen Blockade" des Neoliberalismus und seinen gesellschaftlichen Wirkungen ab. Die Bürger sollen Europas Souverän sein.
EU muss politische Union werden
Der Autor kritisiert das Kräftespiel nationaler Partikularinteressen zulasten Europas Handlungsfähigkeit. Ausgangspunkt ist die Krise Europas, sind die "Blockade der Institutionen" und das
Demokratiedefizit. Erschwerend kommt hinzu: Dies alles spielt sich in einem "Jahrhundert des Mangels" ab. Collignon warnt eindringlich vor der Gefahr des Zerfalls Europas, sollte die EU weiter als
"Koalition von Staaten" und nicht als politische Union agieren.
Konstruktive Kritik
Den Unterschied zwischen beidem erklärt er anhand europäischer Prozesse, Institutionen und Verfahren, beleuchtet beispielsweise die EU-Haushaltspolitik kritisch und hebt den einheitlichen
Binnenmarkt wegweisend als "Aktivposten im gemeinsamen Erbe der Europäer" hervor. Collignon ist konstruktiv. Er geht bei seiner Problemlösung ins Detail. Er entwickelt aus seiner Kritik heraus
einen nachdenkenswerten Ansatz für Europa, zeichnet ein klares Bild dessen, was er sich als europäische Regierung vorstellt.
Ein wenig vernachlässigt er bei all dem die heute schon starke Rolle des Europäischen Parlamentes. Insgesamt überzeugt Collignon - vielleicht sogar Kritiker von links.
Stefan Collignon Bundesrepublik Europa?
Die demokratische Herausforderung und Europas Krise
Mit einem Vorwort von Kurt Beck
Verlag: vorwärts Buch
ISBN 978-3-86602-115-0
€ 19,80
*Mechtild Rothe ist SPD-Europaabgeordnete und seit 2007 Vizepräsidentin des
Europäischen Parlaments.
hat Politikwissenschaft und Philosophie in Berlin studiert und ist Redakteurin beim vorwärts.