Kultur

„Im Schatten des Holocaust“

von Die Redaktion · 30. Mai 2007

James Tent deckt auf, was es bedeutete in Hitlers Reich als "Mischling" zu gelten. Seine Studie erhebe nicht den Anspruch, eine umfassende oder letztgültige Arbeit über diesen Aspekt des Holocaust zu sein. Vielmehr gehe es um persönliche Schicksale. "Erstmals zeigt mit James Tent ein Historiker am Beispiel von Einzelschicksalen das 'Mischlings'-Schicksal auf", betonte Beate Meyer, vom Hamburger Institut für die Geschichte Deutscher Juden, bei der Buchvorstellung.

64 000 "Mischlinge ersten Grades" zählten die Nazis 1939. Sie meinten damit Menschen mit zwei jüdischen Großeltern. Häufig lebten diese Menschen "völlig assimiliert", oft auch mit Deutschen verheiratet und konvertiert, wie die Historikerin Beate Meyer erklärte. Vor Hitlers Rassenwahn bewahrte sie das nicht. Ihm zu entgehen, versuchten "sie möglichst unauffällig, fast unsichtbar zu leben", erläuterte Tent. Doch hat selbst das oft nicht geholfen.



Persönliche Schicksale


Wer als "Mischling" eingestuft wurde, für den war eine Beziehung oder gar die Heirat mit einem Deutschen kaum mehr möglich. Der Weg zu vielen Berufen blieb verwehrt. Zwangssterilisation für Menschen in "Mischehen" war eine von zahlreichen grausamen Repressalien der Nazis. Nach dem Attentat auf Hitler, 1944, verschärfte sich die Situation. Vor Zwangsarbeit und Konzentrationslager konnten nun selbst "arische" Partner nicht mehr schützen.

Bis in die 80er Jahre wurde das "Mischlings"-Thema eher am Rande behandelt. "Es lief nicht parallel, sondern zeitversetzt zum Holocaust", erläuterte Beate Meyer. Auch die Betroffenen schwiegen, meist "50 Jahre lang", so Tent. Zwischen 1993 und 1996 führte er Gespräche mit ihnen. 2003 ist sein Buch auf Englisch erschienen. "Schicksale deutsch-jüdischer Mischlinge im Dritten Reich", heißt es im Untertitel. 2007 folgte die deutsche Übersetzung. Zehn der zwanzig interviewten Zeitzeugen sind inzwischen verstorben.

Wie sehr ihr Schicksal die Betroffenen bis heute belastet, zeigten die Gespräche im Anschluss an die Buchpräsentation. Zahlreiche Zeitzeugen waren gekommen. "Angst", erlebten sie als Folge des Dritten Reiches. "Nicht Angst vor etwas, sondern Angst an sich", so eine von ihnen.

Birgit Güll

James F. Tent: "Im Schatten des Holocaust. Schicksale deutsch-jüdischer 'Mischlinge' im Dritten Reich." Böhlau Verlag, Köln, 2007, 352 Seiten, 24,90 Euro, ISBN 978-3-412-16306-8

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