Kultur

Ostdeutsche Eliten auf dem Prüfstand

von Die Redaktion · 10. April 2007

Gunnar Hinck ist 1973 geboren worden. In Göttingen und Uppsala studierte er Politikwissenschaften, Publizistik und Öffentliches Recht. Zur Zeit der Wende war er gerade einmal 16 Jahre alt und Verwandte in der damaligen DDR hat er auch nicht. Trotzdem treibt ihn die Frage nach dem richtigen Umgang mit der ostdeutschen Geschichte um, denn diese drängte sich ihm bereits beim Berufseinstieg als Volontär bei der Märkischen Oderzeitung Frankfurt/ Oder und der Sächsischen Zeitung in Dresden ebenso wie als Redakteur für Innenpolitik bei der Mitteldeutschen Zeitung in Halle auf.

Gunnar Hick interviewte 14 Spitzen-Persönlichkeiten des öffentlichen Lebens in Ostdeutschland. Er wollte herausfinden, welche Menschen es sind, die die Weichen stellen, was diese bei ihrer Arbeit motiviert und wie ihre Biographien in die Arbeit hineinwirken.Drei Standards ostdeutscher Elitenbildung arbeitete er heraus: Menschen, die die neuen Ideale nach der Hitler-Zeit schon zu DDR-Zeiten kritisch beäugt hätten (teils aus der Desillusionierung nach 1945 heraus); solche, die nach 1990 als Aufbauhelfer aus dem Westen gekommenen seien und schließlich die, die durch PDS-Karrieren an der Macht Teil hätten und teilweise zu DDR-Zeiten bereits leitende Positionen eingenommen hatten.

Am 20. März las der Autor im dbb forum Berlin aus seinem Erstlingswerk. Als Beispiele stellte er an diesem Abend Passagen über den CDU-Ministerpräsident Sachsen-Anhalts Wolfgang Böhmer; über den MDR-Chefredakteur Wolfgang Kenntemich und über die Berlin-Lichtenberger PdS- Bezirksbürgermeisterin Christina Emmrich vor. Eigene Geschichte und heutige Probleme seien von diesen wie von den anderen Porträtierten nicht verschwiegen worden. Hinck kritisierte jedoch, dass es zwischen solchen sehr verschiedenen Spitzen-Persönlicheiten kaum Kommunikation über die DDR-Vergangenheit gäbe.

Die aus den verschiedenen Biografien resultierenden Konflikte würden nicht ausgetragen. Der Autor sieht darin ein Hindernis für die Entwicklung Ostdeutschlands.

Als es dann darum ging, die konkreten ostdeutschen Probleme aufzulisten, zeigte sich, dass manche davon durchaus gesamtdeutsche sind wie z. B. das Aussterben von Regionen durch fehlende Arbeitsplätze und daraus resultierende Abwandern der jungen Leute in wirtschaftsstärkere Gebiete (von dem allerdings Ostdeutschland in besonderem Maße betroffen ist).

Ernst zu nehmen ist aber der Hinweis auf die Behinderung kreativer Potenzen durch entstehende Tabuzonen. Das Gefühl nicht verstanden zu werden und auch dadurch nicht die notwendige Unterstützung zu finden, kann auch unter den Eliten resignative Tendenzen fördern, die dann wiederum deren Schöpfertum oder zumindest ihre Ausstrahlungskraft lähmen. Das kann wiederum auch schon längerfristig ein sehr deutsches Problem sein.



Gunnar Hinck "Eliten in Ostdeutschland. Warum den Managern der Aufbruch nicht gelingt", Ch. Links Verlag Berlin 2007, 216 Seiten, ISBN 978-3-86153-426-6

Dorle Gelbhaar

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