"Aus meiner Sicht ist das kein Kompromiss, mit dem die Partei so leben kann", kommentierte der Sprecher der SPD-Linken Björn Böhning den gestern von der Parteiführung vorgelegten
Vorschlag. Dieser sieht vor, den Bahnkonzern in eine staatseigene Holding umzuwandeln. Unter diesem Dach soll es künftig zwei Unternehmen
geben: eines, dem die Schienen und die Bahnhöfe gehören und ein zweiten, das den gesamten Güter-, Fern- und Regionalverkehr betreibt. Letzteres soll die Rechtsform einer Aktiengesellschaft haben
und privatisiert werden - jedoch nur zu 24,9 Prozent. Die restlichen 75,1 Prozent verbleiben bei der DB-Holding und damit beim Bund.
Das Problem: Mit dem Vorschlag verstößt die SPD-Spitze gegen einen Beschluss des Parteitags aus dem Oktober. Die Delegierten hatten das so genannte Volksaktienmodell als einzig mögliches für
eine Bahnprivatisierung beschlossen. "Die Vorgaben von Hamburg sind nicht erfüllt", erklärte die Vorsitzende der Jusos, Franziska Drohsel. Sie setze darauf, dass in den kommenden Beratungen noch
Veränderungen vorgenommen würden. "Sollte dies nicht der Fall sein, muss ein Parteitag über die Zukunft der Bahn entscheiden."
"mit zusammengebissenen Zähnen"
Dass es dazu tatsächlich kommt, gilt jedoch als unwahrscheinlich. In der Sitzung der Bezirks- und Landesvorsitzenden am Sonntagabend habe es keinen Widerspruch gegen den Vorschlag gegeben,
wenn auch, wie der Privatisierungskritiker Hermann Scheer hinterher anmerkte, "nur mit zusammengebissenen Zähnen". Die Verbände Berlin, Sachsen-Anhalt, Mecklenburg-Vorpommern sowie der Bezirk
Hannover sollen allerdings Bedenken angemeldet und den Wunsch geäußert haben, sich zunächst mit ihrer Basis absprechen zu wollen. Inzwischen fordern das frühere Sttugarter MdB Peter Conradi und das
Mannheimer MdB Lothar Mark in einem dreiseitigen "Brandbrief" den Parteivorstand auf, einen Sonderparteitag einzuberufen.
Lob kam hingegen aus Reihen der Wirtschaft sowie der Union. "Mit dem Vorschlag haben wir jetzt einen Fuß in der Tür für eine weitere Privatisierung", sagte der Chef der
CDU-Mittelstandsvereinigung, Josef Schlarmann. "Wenn die Bahn Investitionsbedarf hat, werden aus 25 Prozent schnell 49 oder 51 Prozent." Als "sehr gute Gesprächsmöglichkeit" wertete
CDU-Fraktionschef Volker Kauder den SPD-Vorschlag. Er sei der Beginn einer Teilprivatisierung. Seine Fraktion sei froh, "dass es wenigstens den Einstieg gibt". Nach der Bundestagswahl 2009 stelle
man die Weichen neu. Auch der Deutsche Städte- und Gemeindebund begrüßte den Kompromiss: Die Sorgen der Komunen um eine Ausdünnung des Netzes seien beachtet worden, da das Netz zu 100 Prozent im
Staatsbesitz bleibe, so der Geschäftsführer Gerd Landsberg. Der Privatisierungserlös sollte dazu genutzt werden, das Netz auszubauen und marode Strecken zu sanieren. Es gelte, den ländlichen Raum
nicht abzuhängen, "Klimaschutz und eine älter werdende Gesellschaft brauchen nicht weniger, sondern mehr Bahn."
Quellen: Berliner Tagesspiegel, Berliner Zeitung, Frankfurter Allgemeine Zeitung, Frankfurter Rundschau, Stuttgarter Zeitung, Süddeutsche Zeitung, PM Jusos, www.dstgb.de, Brief bei
peterconradi@t-online.de, Unterstützer bei lothar.mark@bundestag.de melden.
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