Seit Anfang Juli halten etwa 140 Mitarbeiter die Fabrik besetzt, nach dem sie von der Arbeit "freigestellt" wurden. Wie lange wollen die MitarbeiterInnen die Besetzung noch aufrecht
erhalten?
Die "Besetzung" dauert an. Die Beratungen mit dem vorläufigen Insolvenzverwalter lassen mehrere Optionen erkennen. Die Besetzung endet aber erst bei einem akzeptablen Ergebnis für die
Belegschaft.
Dass Angestellte eines Betriebs so deutlich "Nein" zu den Entscheidungen ihres Arbeitgebers sagen, ist eine Seltenheit in Deutschland. Sind sich die Arbeitnehmer ihrer Macht gegenüber
Riesenkonzernen nicht bewusst, oder warum sind Belegschaften selten so rigoros wie die von Bike System?
Viele Belegschaften waren, insbesondere Anfang der 90er, mit ähnlichen Situationen konfrontiert. Oft kam es jedoch nur zu Teilschließungen, so wurden die ArbetnehmerInnen geschickt gespalten.
Darüber hinaus führte die extreme Arbeitslosigkeit in den neuen Bundesländern zur regelrechten Spaltung der ganzen Gesellschaft. Dabei wurde und wird insbesondere die Existensangst der Menschen
"benutzt". Angesichts der fehlenden Strukturen, aber auch mangelnder Auseinandersetzungen in bspw. Tarifbewegungen, sind die Gewerkschaften oft nur unzureichend verankert. Im Übrigen können wir in
Nordthüringen von Großkonzernen nur träumen. Oft sind die Betriebe nur verlängerte Werkbank und ein Gefühl oder auch Hauch von Macht kam nie auf und ist den Beschäftigten auch nicht bewußt.
Der Mutterkonzern Lone-Star hat inzwischen seine Konsequenzen gezogen und Insolvenz angemeldet. Zeigt der Protest erste Erfolge?
Die MitarbeiterInnen haben bereits viel erreicht. Sie leben und erleben
Solidarität. Sie tun etwas, was "Politik" im Moment nicht tut, sie bieten einem globalen Finanz-Investor die Stirn. In einer hoffnungslos geglaubten Situation bieten sich plötzlich
Alternativen zur Arbeitslosigkeit.
Was sind Ihre nächsten Schritte?
Wir werden die Vorschläge des vorläufigen Verwalters in unsere Überlegungen einbeziehen und ein gemeinsames oder auch eigenes Konzept entwickeln. Zur möglichen Fortführung des Konzerns werden
derzeit Gespräche mit 2 Interessenten geführt, hier geht es jeweils um der Prüfung einer Fahrradproduktion in Nordhausen. Sollten diese Bemühungen jedoch scheitern, werden wir im Rahmen der
Sozialplanverhandlungen mit dem Insolvenzverwalter eine Trasnsfermaßnahme für alle Beschäftigten anstreben, in der sie die Möglichkeit der gezielten Qualifizierung für den Ersten Arbeitsmarkt
erhalten.
Interview: Julia Kleinschmidt
Kontakt:
www.erfurt.igmetall.de/
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