Inland

Für die Banken viel, für die Bedürftigen wenig?

von Dietrich Jörn Weder · 28. November 2008
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Mit dem gleichen Betrag könnte man allen von Hartz-IV abhängigen fünf Millionen Menschen ein Konjunktur stützendes Weihnachtsgeld von rund zweitausend Euro zuwenden. Alle 47 Millionen Privathaushalte der Republik könnte man davon mit einem Geschenkgeld von immerhin noch 200 Euro in jedem Einzelfall bedenken.

200 Euro für alle oder zig Milliarden für eine Bank?

Mit den mittlerweile in die zig Milliarden gehenden Überlebenshilfen für den Staats- und Immobilienfinanzierer Hypo Real Estate kommt man noch in ganz andere Größenordnungen hinein. Der staatliche Rettungsschirm für die strauchelnden Banken sprengt jeden bisher gewohnten fiskalischen Rahmen. Er verführt auch dazu, diese Aufhebung der Schranken sparsamer Haushaltsführung zum Maßstab für andere staatliche Ausgaben zu machen. Keine Regierung der Welt allerdings gleicht die Spielverluste der Banken freiwillig aus. Es geht vielmehr darum, durch die gesamte Wirtschaft laufende Bebenwellen wie nach dem Zusammenbruch der Investment-Bank Lehman Brothers unter allen Umständen zu vermeiden.

Kein Verständnis für Bonus-Orgien

Die Wählerinnen und Wähler, vielleicht sogar die finanziell beengten unter ihnen, werden für die Stützung der Banken freilich am Ende nur dann Verständnis aufbringen, wenn dem Spieltrieb der Finanzinstitute, einschließlich der Fonds, ganz enge Zügel angelegt werden. Sie werden es nicht goutieren, wenn Banken weiterhin leichtsinnig vergebene Kredite gebündelt und undurchsichtig verpackt wie in einem Schwarze-Peter-Spiel weiterreichen dürfen. Dies ist doch die Urquelle des heutigen Riesendebakels. Nicht einen Funken Verständnis hat das Publikum auch für das System der Boni, mit dem sich Bankmitarbeiter für besonders raffiniert-waghalsige Transaktionen gegenseitig belohnen.

Wussten Sie, dass die US-Investmentbank Goldman Sachs 2006 an ihre 26.000 Mitarbeiter 16 Milliarden Dollar Erfolgszulagen ausgeschüttet hat, das heißt im Durchschnitt für jeden Beschäftigten rund 600.000 Dollar, ein Lottogewinn also? Währenddessen mussten zweieinhalb Milliarden Menschen auf dieser Welt täglich mit weniger als zwei Dollar ihren Lebensunterhalt bestreiten. Dies ist ein Vergleich, den der zum leidenschaftlichen Globalisierungskritiker gewandelte frühere CDU-Generalsekretär Heiner Geissler immer wieder gegen die Auswüchse des internationalen Finanzkapitalismus ins Feld führt.

Banken wollen weiter zweistellig verdienen

Ein neues Denken, eine Abkehr von den übersteigerten Gewinn- und Einkommensansprüchen der jüngsten Vergangenheit, Reue gar scheinen in den oberen Etagen der Bankhäuser noch nicht allgemein verbreitetet zu sein. So beharrte der scheidende Bankenverbandspräsident Klaus-Peter Müller kürzlich darauf, dass sich das Eigenkapital der Banken zweistellig, also mit mehr als zehn Prozent, rentieren müsse. Beträgt das nominelle Wirtschaftswachstum, sagen wir hoffnungsvoll, drei Prozent, heißt dies, dass die darüber hinaus gehenden Renditeprozente anderen bei der Verteilung des Einkommenskuchens abgehen.

Erinnern wir uns noch an den empörten Aufschrei der seitdem allerdings leiser gewordenen Wirtschaftspresse, als die IG Metall acht Prozent mehr Lohn für ihre Mitglieder zu fordern wagte. Und selbst die 1,1-prozentige Rentenerhöhung Mitte dieses Jahres wurde von dieser Seite noch als regelwidrig kritisiert.

Fehlsteuerung durch mühelose Riesengewinne

Hoffentlich bringt uns die große Krise doch dazu, dass wir über Einkommensunterschiede und die Relation von einzelnen Staatsausgaben zueinander etwa objektiver, etwas ideologiefreier diskutieren. Wenn jemand im Wirtschaftsleben wirklich Großes für viele leistet, dann sei ihm auch ein großes Einkommen gegönnt. Dass die Porsche AG fast sieben Milliarden Euro und ihr Chef Wiedeking geschätzte 80 Millionen allein durch die Herumzockerei mit VW-Aktien verdient haben, dürfte der Arbeiter in Wolfsburg ebenso wie jeder vernünftig denkende Zeitgenosse als pervers empfinden. Solange man solche Gewinne ohne Werte schaffende Arbeit einheimsen kann, richtet die Finanzwelt in der Realwirtschaft Unheil an.

Autor*in
Dietrich Jörn Weder

ist freier Journalist und Buchautor.

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