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Marx ist kein toter Hund

von Vera Rosigkeit · 14. Oktober 2009
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"Die Geister, die er rief. Über die Wiederbelebung eines Mythos", lautet der Titel des kürzlich erschienenen Buches von Rolf Hosfeld. In seiner Generation, so gibt der Autor zu Beginn der Diskussion bekannt, wurde noch sehr intensiv über das Werk von Karl Marx gestritten. Und er sei während des Schreibens erstaunt gewesen, wie viel er noch über die Theorie des Marxismus wusste, fügte er hinzu.

Kapitalismus verstehen

Franziska Drohsel, Repräsentantin einer jüngeren Generation, ist überzeugt, dass man mit Marx hervorragend lernen kann, wie Gesellschaft und wie Kapitalismus funktioniert. Basierend auf Gewinn und Konkurrenz zeige sich gerade heute einmal mehr, dass Krisen zum Kapitalismus dazu gehören, erklärte sie.

Hosfeld ist da kritischer. Das geschlossene Gesellschaftsbild von Karl Marx sei typisch für einen Wissenschaftler des 19 Jahrhunderts. Sein tiefes Vertrauen in Naturgesetze hätten ihn glauben lassen, auch gesellschaftliche Abläufe seien vorherbestimmt. Der Verdienst des Wissenschaftlers Marx sei es jedoch gewesen, eine grundlegende Analyse der Wirtschaftsordnung zu beschreiben, ein Vorhaben, das auch aktuell seines Gleichen sucht, gab er zu Bedenken. Bis heute gebe es keine moderne Theorie über die Wirtschaftsordnung.

Nur Abwehr des Neoliberalsimus ist nicht genug

Möglichweise ein Problem, "an dem die Linke seit 1989 krankt", gab Drohsel zu bedenken. "Wir haben keine Antwort darauf, wie eine Alternative zur Gesellschaft aussehen kann", erklärte sie, "wir führen seitdem nur Abwehrkämpfe gegen den Neoliberalismus." Als Jungsozialistin habe sie das Recht, über das Abschaffen des Kapitalismus zu reden," so Drohsel. Das stehe nicht im Widerspruch zur Realpolitik. Da gehe es in erster Linie darum, den Kapitalismus möglichst sozial zu gestalten.

Auch Hosfeld räumte ein, die derzeitige Wirtschaftskrise könne auch definiert werden als ein gewaltsamer Ausbruch des Kapitalismus, so wie Marx ihn verstanden habe. Ursache der Krise seien die gewaltigen Vermögensunterschiede. Darin lässt sich im Marxschen Sinne das Aggressionspotential des Kapitalismus erkennen, man könne auch "von einer wirtschaftlichen Aromwaffe" reden, sagte Hosfeld. "Eine Vermögenssteuer sei deshalb notwendig, weil frei vagabundierendes Vermögen gefährlich ist", ist er überzeugt.

Für eine demokratische Wirtschaftsordnung

"Soll der Staat nun die Krise regulieren ohne das sich etwas am Kapitalismus ändert?", fragte Drohsel. Ihre Antwort lautete "Nein", denn die Wirtschaftsordnung kann ebenso nach demokratischen Prinzipien organisiert werden, wie alle anderen Ordnungen auch.

Während sich Rolf Hosfeld zwanzig Jahre nach dem Mauerfall über gute Kritiken für sein Buch über Karl Marx freuen kann, gibt die Juso-Chefin zu Protokoll, dass die Marx-Literatur auch für junge Generationen überaus geeignet sei. Denn eines ist Marx sicher nicht, sagte sie, "Er ist kein toter Hund."


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Vera Rosigkeit

hat Politikwissenschaft und Philosophie in Berlin studiert und ist Redakteurin beim vorwärts.

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