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Die Feinde der Juden

von Anton Maegerle · 12. März 2010
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Nachdem im vergangenen Jahr der erste Band des "Handbuches Antisemitismus" das Feld "Länder und Regionen" behandelte, stehen im zweiten Personen im Mittelpunkt. 176 Autoren aus dem In- u. Ausland stellen 686 Biographien von Menschen vor, die von der Spätantike bis zur Gegenwart auf allen Kontinenten der Erde im Kontext der Judenfeindschaft eine Rolle gespielt haben. Das Spektrum des biographischen Kompendiums reicht von ersten Repräsentanten antijüdischen Denkens wie Cyprian von Karthago (verstorben 258) bis hin zu Vertreten des zeitgenössischen Antisemitismus wie dem inhaftierten Hitler-Verehrer Horst Mahler oder dem polnischen Pater und Gründer des katholisch-fundamentalistischen "Radio Maryjia", Tadeusz Rydzyk.

Fanatische Antisemiten
Im Personenlexikon finden sich solche, die ihre Judenfeindschaft öffentlich gemacht haben wie zum Beispiel der NS-Funktionär- und Agitator Julius Streicher, der französische Rassentheoretiker Joseph Gobineau oder der US-amerikanische Großindustrielle Henry Ford. Zu dieser Personengruppe gehört auch der im Jahr 2001 verstorbene Publizist und SPD-Hasser Kurt Ziesel. Ziesel wird von Benz als Mensch charakterisiert, der sich in der NS-Zeit als "fanatischer Nationalsozialist und Antisemit" hervortrat, später im demokratischen Deutschland mit Ehrungen überhäuft wurde und den damaligen Bundeskanzler und CDU-Bundesvorsitzenden Helmut Kohl auf einer Israelreise begleiten durfte. Ziesel war Gründer und Geschäftsführer der unionstreuen "Deutschland-Stiftung", einer propagandistischen Dreckschleuder gegen sozialdemokratische Politiker. 1996 wurde Ziesel von Kohl für sein "Eintreten für die freiheitlich-demokratische Grundordnung unserer Bundesrepublik Deutschland" mit dem Bundesverdienstkreuz ausgezeichnet.

Mehrfach stößt der Leser im "Handbuch des Antisemitismus" auf Namen wie Personen, die nicht auf Anhieb in diesem antisemitischen Zusammenhang vermutet werden. Demnach spielten zum Beispiel die Gebrüder Grimm eine Rolle in der Geschichte des literarischen Antisemitismus. Die Sprachwissenschaftler und Märchenerzähler bedienten sich antisemitischer Stereotype in wie "Der Jude im Dorn" oder "Das von den Juden Getötete Mägdlein". Die Suche nach dem NPD-Bundesvorsitzenden Udo Voigt dagegen bleibt im Personenlexikon vergebens. Erwähnung finden lediglich seine Vorgänger Günter Deckert und Adolf von Thadden.

Nicht vertreten sind unter anderem auch der ehemalige FDP-Spitzenpolitiker Jürgen Möllemann und der nationale Sozialist Hugo Chavez aus Venezuela. Aus "Gründen der Ökonomie", merkt Benz dazu in seinem Vorwort entschuldigend an, "wird mancher Spezialist einen Namen vermissen", da eine Auswahl getroffen werden musste.

Unschuldige Opfer
Dokumentiert werden im "Handbuch des Antisemitismus" neben der Personengruppe der Antisemiten auch deren Opfer wie der französische Hauptmann Alfred Dreyfus oder die deutschen Politiker Matthias Erzberger und Walther Rathenau. Dreyfus wurde 1894, obwohl völlig unschuldig, wegen Hochverrats zugunsten Deutschlands zur Höchststrafe Degradierung und lebenslange Verbannung verurteilt. Erst eine internationale Kampagne, die maßgeblich der ebenfalls im "Handbuch des Antisemitismus" vorgestellte Schriftsteller Emil Zola betrieb, führte zur Rehabilitierung von Dreyfus. Erzberger hatte als deutscher Parlamentär 1918 in Compiegne den Waffenstillstand unterzeichnete und wurde 1921 von Rechtsextremisten ermordet. Ebenfalls einem Attentat der extremen Rechten fiel Reichsaußenminister Rathenau 1922 zum Opfer.

Vorgestellt werden im "Handbuch des Antisemitismus" darüber hinaus Vorkämpfer der Aufklärung und Toleranz, die in der Abwehr der Judenfeindschaft eine wichtige Rolle spielten wie der ungarische Rechtsanwalt und Politiker Karoly Eötvös.

Das "Handbuch des Antisemitismus", das auch als e-book erhältlich ist, ist ein einzigartiges Nachschlagewerk und zugleich ein spannendes Geschichtsbuch, das in jede Schule und Universität gehört. Positiv bleibt zu erwähnen, dass am Ende der einzelnen Porträts Literaturhinweise gegeben werden und Register der Organisationen, Institutionen und Publikationen vorhanden sind.

Anton Maegerle

Benz, Wolfgang (Hg.): Handbuch des Antisemitismus. Judenfeindschaft in Geschichte und Gegenwart. Band 2: Personen, Verlag Walter de Gruyter, Berlin 2009, 934 Seiten, ISBN 978-3-598-24072-0 (print), Subskriptions-Preis bis 31. März 2010 159,95

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