Kultur

Die Perfektionierer

von Brigitte Preissler · 30. Januar 2010
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Wer will schon ein mittelmäßiges Leben führen? "Mainstream ist out," konstatiert der Journalist Klaus Werle. Und an dem Wunsch, das eigene Leben zu etwas besonderem zu machen und alle Möglichkeiten auszuschöpfen, sei auch im Grunde nichts falsch. Doch Werle zeigt in seiner kurzweilig geschriebenen, beispielreichen Studie, dass der Drang nach Verbesserung in den westlichen Demokratien längst zu einem Zwang geworden ist.
Während unsere Kleinkinder Chinesisch lernen, um für den Arbeitsmarkt so gut wie möglich gewappnet zu sein, stählen wir unsere Körper im Fitnessstudio, sitzen Überstunden und Fortbildungsseminare ab, lassen Schönheits-OPs und Coachings über uns ergehen und arbeiten in Blogs oder sozialen Plattformen an einer optimalen Selbstdarstellung - um der perfekten Karriere willen. Für das ebenso perfekte Dinner müssen es dann abends die Würstchen aus tiergerechter, umweltschonender Nutztierhaltung sein, dazu gibt es violetten Senf nach einem historischen Rezept aus dem Mittelalter.


Die Falle Perfektion...

Werle geht es um die Schattenseiten dieses allgegenwärtigen Strebens nach Perfektion. Das Versprechen des sozialen Aufstiegs, das die moderne, offene Gesellschaft ihren Bürgern gebe, sei zu einer Falle geworden: Denn wenn jeder sein Glück selbst in der Hand hat, müssen die Erfolglosen etwas falsch gemacht haben, wie viele meinen.

"Der Drang nach Perfektion führt zu einer Intoleranz dem nicht Perfekten gegenüber" - wenn etwas schief läuft, ist das kein Schicksal, sondern wird als persönliches Versagen ausgelegt. So steigt der Druck auf den Einzelnen, sein Leben zu optimieren, ins Unermessliche.


... und wie man ihr entgeht

Zufriedener macht das natürlich niemanden; doch wie lässt sich das Statuswettrennen beenden? Von staatlichen Eingriffen wie der Einführung eines Bürgergeldes hält Werle wenig; er hat keine neue gesellschaftliche Vision, sondern glaubt an die Marktwirtschaft. Auch ein Ratgeber will Werle nicht sein, gleichwohl richtet er seine wichtigsten Tipps vorwiegend an den Einzelnen. "Einfach mal entspannen, auf die eigenen Fähigkeiten vertrauen, lockerlassen. Es müssen ja nicht gleich die Schafsfarm auf Neuseeland und selbstgestrickte Wollsocken sein." Stimmt: Es kann nun mal nicht jeder alles erreichen. Und da ist es besser, sich auf die eigenen Stärken zu besinnen, statt immer nur die vermeintlichen Schwächen im Auge zu haben und an ihnen arbeiten zu wollen.

Klaus Werle: Die Perfektionierer. Warum der Optimierungswahn uns schadet - und wer wirklich davon profitiert. Campus Verlag 2010, 256 Seiten, 19,90 Euro, ISBN 978-3-593-39093-2

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