Kultur

„Politik nicht den Männern überlassen“

von Martin Leibrock · 3. August 2009
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Jährlich wird der Büchermarkt mit Biographien und Autobiographien geradezu überschwemmt. Über einige Politikerinnen und Politiker sind schon mehrere Bücher erschienen. Recherchen zur Person Käte Strobels hingegen liefen bis dato ins Leere. Zu Unrecht. Schließlich war die Politikerin nicht nur in Nürnberg aktiv, sondern setzte auch als Gesundheitsministerin in der großen Koalition von 1966 bis 1969 sowie später als Ministerin für Jugend, Familie und Gesundheit in der Zeit Willy Brandts auch in der Bundespolitik entscheidende Akzente. Deshalb entschloss sich eine 14-köpfige Schulklasse samt engagierter Lehrerin aus Nürnberg vor drei Jahren, das Leben der ersten Ehrenbürgerin der Stadt zu erforschen.

Erfinderin der "Pille für den Mann"

Das Ergebnis ist eine liebevoll, in Feinarbeit recherchierte Biographie über eine ungewöhnliche Frau, die die Männer in der Politik so manches Mal in Erstaunen versetzte: Als "ihr" Aufklärungsfilm "Helga" in den Kinos lief, fielen sogar die Männer in Ohnmacht, weil sie erstmals eine Geburt in allen Einzelheiten zu sehen bekamen. Mit ihrer Idee der "Pille für den Mann" sorgte die SPD-Politikerin für einen großen Aufschrei.

In ihrer Biographie zeichnen die Jugendlichen aus acht Nationen ein lebendiges Bild dieser bedeutenden deutschen Nachkriegspolitikerin der ersten Stunde. Für ihre Recherche tauchten sie in Archive ein, lasen zahllose Briefe und Reden, interviewten Menschen, die Käte Strobel nahe standen, und sprachen mit ihren Töchtern.

Pausenlos im Einsatz

Über das erstaunliche Arbeitspensum sagt die Schülergruppe selbst: "Wir opferten für das Buch sehr viel von unserer Freizeit, denn wir schrieben nicht in den Schulstunden, sondern waren bereit, nachmittags nach der Schule weiterzuarbeiten. Selbst die Ferien mussten daran glauben, und auch bei Hitzefrei blieben wir im Klassenzimmer und machten uns ans Werk. Dafür froren wir in den Winterferien beim Schreiben, da die Heizung in den Ferien abgeschaltet wurde."

Auf diesen Arbeitseifer der Jugendlichen wäre Käte Strobel gewiss Stolz gewesen, schuftete sie als Politikerin im Bundestag ab 1949 selbst zum Wohle aller (außer sich selbst) beinahe wie besessen. Und als wäre das nicht schon ausreichend, saß sie später sogar noch im Europäischen Parlament und macht sich für ein vereintes Europa und Jugendbegegnungen stark. Sie arbeitete so viel, dass sie sich sogar in Lebensgefahr begab. Völlig übermüdet setzte sie sich einmal spät nach einer Sitzung in München noch selbst hinter das Steuer, um die Familie in Nürnberg zu besuchen. Bei einem Ausweichmanöver schoss sie mit ihrem Auto von der Fahrbahn.

"Sex-Käte"

Mit ihrer Persönlichkeit und ihrem unnachgiebigem Einsatz für ihre Ziele prägte Käte Strobel die Politik ihrer Zeit. In der Festtagsrede zu ihrem 80. Geburtstag zitierte der damalige Partei- und Fraktionsvorsitzende der SPD, Hans-Jochen Vogel, einen ihrer wichtigsten Sätze: "Politik sei eine viel zu ernste Sache, als dass man sie allein den Männern überlassen könnte." Für diese Worte hat sich Käte Strobel viel Gelächter eingefangen. Am Anfang überwog noch das Bild, dass sie nicht mal in der Lage sei, Fremdwörter anzusprechen oder gar wisse, wie sie geschrieben werden. Am Ende ihrer Bonner Zeit lachte aber niemand mehr. Käte Strobel glänzte durch ihre Taten, wie selbst Vogel eingestand: "Du hattest alle überzeugt".

Aus heutiger Sicht für selbstverständlich erachtete Dinge wie Kindergeld, BAföG, ein Arzneimittelgesetz sowie die Verbraucherschutzorganisation "Stiftung Warentest" sind auf das unermüdliche Engagement dieser Politikerin zurückzuführen. Gekämpft hat sie zudem für die Sexualkundeaufklärung der Jugend in Schulen, was damals als Skandal gesehen wurde und ihr deshalb den Beinamen "die Sex-Käte" bescherte.

Es bleibt nur noch sich zu bedanken


Anschaulich schildert die Autorengruppe kleine Anekdoten, gespickt mit zahlreichen Zitaten und schafft damit in ihrem Buch eine Atmosphäre, die dem Leser das Gefühl vermittelt, er oder sie sei Teil der Familie. Auch wenn die Lektüre an der einen oder anderen Stelle etwas langatmig erscheint, beispielsweise als am Anfang des Buchs ein Waschtag bis ins kleinste Detail erzählt wird, schildern die jungen Schriftsteller die wichtigen Ereignissen in Kätes Strobel jungenJahren auf eine Weise, dass dem Leser bewusst wird, wie und warum sie sich zur Ausnahmepolitikerin und bemerkenswerten Person entwickelte.

"Für die Bundespartei möchte ich dir, liebe Käte, danken. Danken für deine Leistungen und Erfolge. Danken aber vor allem dafür, dass du dir selbst treu geblieben bist, dass du nicht mit Worten allein, sondern mit deinem Leben gepredigt hast, dass Worte und Taten bei dir stets übereingestimmt haben", brachte Hans-Jochen Vogel seine Wertschätzung zum Ausdruck. Dem ist nichts hinzuzufügen, außer: So mancher Politiker sollte sich ein Beispiel an ihr nehmen und Käte Stobel nacheifern.

Martin Leibrock


" Das Käddala aus der Gartenstadt - Eine Zeitreise mit Käte Strobel "
Zu bestellen: Volkschule Nürnberg / Hauptschule, Hummelsteiner Weg 25, 90459 Nürnberg, Tel. 0911/444024, E-Mail hs-hummel@mnet-online.de, Preis: 5 Euro

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