Kultur

Die Melodie der Liebe

von Margret Rink · 16. Mai 2009
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Überraschend werden die Zwillinge Patrice und Patricia aus Paris bzw. Chile ins Elternhaus nach Berlin gerufen. Ihr Vater ist verhaftet worden ist. Ihm wird vorgeworfen, im dritten Akt von Puccinis "Tosca" den italienischen Tenor Malfitano erschossen zu haben. Warum sollte der besonnene, ruhige Mann, der ganz in seinem Klavierstimmer-Beruf aufgeht und für den Musik die Welt bedeutet, diese Tat begangen haben?

Die Geschichte beginnt wie im Krimi und hält bis zum Schluss in Atem. Und doch bleibt neben der Tragik des Geschehens auch die Melodie der Liebe in Erinnerung, die das Unfassbare erst geschehen ließ.

Patrice und Patricia reisen nach Berlin, um zu verstehen. Schicht für Schicht versuchen sie die Beweggründe freizulegen, die ihren Vater, einen legendären Klavierstimmer und glücklosen Opernkomponisten, zur Waffe greifen ließen. Jahre zuvor waren sie vor ihrer inzestuösen Liebe in verschiedene Lebenswelten geflohen. Ihr Wiedersehen und die zunächst unbegreifliche Schuld des Vaters bringen sie dazu, ihre Sprachlosigkeit zu beenden. Sie beschließen, aufzuschreiben wie sie ihre einstige Intimität erlebten. Um die ganze Wahrheit herauszufinden, soll jeder seine Eindrücke in einem eigenen Tagebuch festhalten. Am Ende wollen sie diese austauschen. Ein befreiender Prozess des Erinnerns beginnt.

Aus den Aufzeichnungen - jeweils aus weiblicher und männlicher Sicht - wächst eine unglaubliche Spannung. Die verschiedenen Blickwinkel, die enge Beziehung der Zwillinge zueinander sowie zu ihren Eltern gewähren Einblicke in ein grausames Familienschicksal. Stückweise wird es in seiner ganzen Dramatik enthüllt. Manchmal möchte man schreien: "Nein, nicht noch dies!" Augenblicke tiefer Trauer und Verletzbarkeit wechseln mit denen starker Liebe, die diese Familie zusammengehalten hat. Selbst die Widerspiegelung der unterschiedlichen Behandlung durch die Eltern in den Reaktionen der Kinder offenbart die große Welt der Gefühle, die eine starke Liebe hervorrufen kann.
"Der Klavierstimmer " - ein Roman, der sehr poetisch auf ungewöhnliche Art eine Familientragödie erzählt. Ein Buch, auf dessen Klang man sich einlassen muss, weil darin die Musik - insbesondere die aus Opern- einen breiten Raum einnimmt. Sprachgewaltig wird mit leisen und lauten Tönen Seite für Seite mehr enthüllt, wie es zum Todesschuss auf offener Bühne gekommen ist.

Margret Rink

Pascal Mercier: Der Klavierstimmer, btb Verlag, München 2006, 512 Seiten, 10 Euro,
ISBN 978-3-442-73545-7

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Pascal Merciers musikalischen Roman "Der Klavierstimmer" gibt es nun auch als Hörbuch. Es wird eindrucksvoll gelesen von Walter Kreye , Stephan Schad , Marlen Diekhoff , Boris Aljinovic und Ulrike Grote. Ein Genuss!

Pascal Mercier: Der Klavierstimmer, Verlag Hörbuch Hamburg 2009, 6 CD (AudioCD), 29,99 Euro ISBN 978-3-89903-440-0




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