Von Grimma in Sachsen über Berlin und Bonn, von Prag über einen Kibbuz in Israel bis Blumenau in Brasilien reichen die Orte, über die Ralf Bachmann berichtet. Was er erzählt, ist oft
originell, und er kommentiert eigenwillig, manchmal humorvoll. Besonders lesenswert sind die erläuternden Anhänge.
Denn Bachmann, der in der DDR als ADN-Korrespondent, unter anderem in Bonn, ein herausgehobener Journalist war, gesteht Irrtümer ein und korrigiert sie. Er habe "zwischen Wahrheit und
Parteilichkeit" jonglieren müssen und gibt freimütig zu, "mitgemacht, nicht energisch genug widersprochen" zu haben. Er bekennt sich zu seinem Weg vom "dogmengläubigen FDJler zum tolerierenden
linken Demokraten, der Marx zwar nicht abgeschworen hat, ihn jedoch nun auch durch die Brille Willy Brandts zu sehen lernte" - eine Haltung, die ihn nach 1989 in den Freundeskreis um Wolfgang
Thierse brachte und ihn Autor des im Vorwärts-Verlag erscheinenden "Blick nach rechts" (bnr.de) werden ließ.
Die geschickt zusammengestellten Erkenntnisse und Einsichten eines Journalisten sind keine eitle Selbstbespiegelung, keine Abrechnung und keine Entschuldigung, sondern ein ehrlicher,
bescheidener archivarischer Rückblick und somit eine vielseitige, häufig lehrreiche und stellenweise amüsante Lektüre.
Helmut Lölhöffel
Ralf Bachmann: Ich habe alles doppelt gesehen.
Sax-Verlag, Beucha 2009, 302 S., 15 €, ISBN 978-3-86729-044-9
lebt als freier Publizist in Berlin. Er war Redakteur beim Kölner Stadt-Anzeiger, bei ddp, der Süddeutschen Zeitung und der Frankfurter Rundschau sowie Sprecher des Berliner Senats und Unternehmenssprecher.