Das fotografische Werk Gerda Taros stand jedoch lange Jahre im Schatten ihres Kollegen und Lebensgefährten Robert Capa, dem späteren Mitbegründer der legendären Fotoagentur Magnum. Die Entdeckung bislang unveröffentlichter Aufnahmen von Capa, Taro und David Seymour aus der Zeit des Spanischen Bürgerkrieges entreißen Taros Lebenswerk nun dem Vergessen.
Mehr als 4000 Negative waren 2008 im Nachlass eines Diplomaten in Mexiko gefunden worden. "Die Filmrollen waren in gutem Zustand und bereits entwickelt," erklärt die Taro-Biografin Irme Schaber, "zudem waren die Fotos beschriftet und dadurch konnte ein Teil der Filme eindeutig Gerda Taro zugeordnet werden." Der sensationelle Fund mache somit eine Neubewertung Taros fotografischer Arbeiten möglich.
Zum 100. Geburtstag der Fotografin hat das International Centre of Photography New York (ICP) zusammen mit Irme Schaber eine 85 Exponate umfassende Retrospektive zusammengestellt. Die Ausstellung ist noch bis zum 16. Mai im Kunstmuseum Stuttgart zu sehen. In Kürze kommt eine bearbeitete Neuauflage der von Schaber und dem Capa-Biografen Richard Whelan 2007 im Steidl Verlag herausgegebenen englischsprachigen Monographie des fotografischen Werkes Gerda Taros in den Buchhandel. Der Mexiko-Fund wird im Herbst in einer vom ICP zusammen mit Irme Schaber konzipierten Ausstellung präsentiert werden, zu der auch ein ausführlicher Katalog erscheint.
Das Fotografenteam Taro-Capra
1910 als Gerta Pohorylle in Stuttgart geboren, wuchs Taro in einer Zeit auf, die von Weltkrieg, Revolution und einem stetig anwachsenden Antisemitismus geprägt war. Dank finanzieller Unterstützung durch eine Tante erhielt die Tochter eines aus Ostgalizien eingewanderten jüdischen Kaufmannes eine moderne Erziehung. Die Familie ging 1929 nach Leipzig, dort wurde Taro Mitglied sozialistischer Gruppierungen. Sie beteiligte sich an Flugblattaktionen gegen die Nationalsozialisten, wurde im März 1933 kurzzeitig verhaftet und ging anschließend ins Exil nach Paris. Dort lernte sie den ebenfalls vor den Nazis geflohenen André Friedmann kennen, hier gründeten sie gemeinsam eine Bildagentur. Aus Pohorylle und Friedmann wurden Gerda Taro und Robert Capa, aus einer privaten Beziehung das Fotografenteam Taro-Capa.
Der Spanische Bürgerkrieg begann am 17. Juli 1936 mit dem versuchten Staatsstreich einer Offiziersjunta, die in Spanien eine faschistisch-klerikale Diktatur errichten wollte. Wie
selbstverständlich waren die Sympathien der Sozialisten, Kommunisten, Liberalen, Bürgerlichen und auch der Juden in ganz Europa auf Seiten der Republik.
Sie wussten, was ein Sieg Francos und Hitlers für die freien Völker Europas bedeuten würde.
Erste Aufnahmen in Barcelona
Die deutschen Emigranten stellten sich ohne Zögern in den Dienst der Spanischen Republik, vielfach aus der Überzeugung, dass ihr Einsatz in Spanien zugleich ein Kampf gegen Nazideutschland war. So gingen auch Robert Capa und Gerda Taro nach Spanien, um als Fotoreporter über den Kampf der Republikaner gegen Francos Faschisten zu berichten.
Die ersten Aufnahmen Taros in Barcelona zeigen die Bewohner der katalanischen Hauptstadt in der Milizuniform, dem »Mono Azul«, Frauen beim Waffentraining oder spielende Kinder in Milizkleidung. Anfang September 1936 begeben sich Taro und Capa an die Front im Süden. Dort schießt Capa sein berühmtestes Foto: "Der Fallende Milizionär" wurde zur Ikone der Kriegsfotografie. In Folge setzte sich auch das Autorenprinzip in der journalistischen Fotografie durch - waren bislang nur Texte vom Urheber gezeichnet, galt dies fortan auch für Fotos.
Der Bürgerkrieg in Spanien wurde zum ersten wirklichen Medienkrieg der Geschichte. Beide Seiten nutzten von Beginn an die parteinahe Presse sowie Kontakte zu internationalen Illustriertenmagazinen, um der Weltöffentlichkeit ihre Version des "gerechten Krieges" zu präsentieren. Gezielt brachten die Kriegsfotografen das dokumentarische Foto als publizistische Waffe zum Einsatz. Auch Gerda Taro, die sich zur deutschen linken Exilgemeinde zählte, war sich ihrer Rolle als subjektive Berichterstatterin durchaus bewusst. Die Nähe zum kämpfenden Soldaten wurde als parteiische Anteilnahme verstanden und so nahmen Taro und Capa am Geschehen in vorderster Front teil.
Bilder aus dem Bombenhagel
Es war die Geburtsstunde der sogenannten "Combat-Fotografie". Aufnahmen, die im Kugelhagel des Feindes entstanden, bürgten für Authentizität. Robert Capas "Wenn dein Bild nicht gut genug ist, warst du nicht nahe genug dran", wurde zum Maßstab für alle folgenden Generationen von Kriegsberichterstattern. Und Gerda Taro war nahe genug dran. In ein Schützenloch gekauert, fotografierte sie am 25. Juli 1937 deutsche Flugzeuge, wie diese die republikanischen Truppen an der Brunetefront angriffen. Im Bombenhagel der deutschen Legion Condor schoss sie mit hochgehaltener Kamera ein Bild nach dem anderen und feuerte gleichzeitig die zurückweichenden republikanischen Soldaten an, ihre Reihen wieder zu schließen. Gerda Taro gelangen atemberaubende Bilder - die kurz zuvor begonnene Serie über die Schlacht um Brunete war bereits weltweit publiziert worden.
Stunden später wurde "la pequeña rubita" - der kleine Blondschopf, wie sie ihre spanischen Kameraden liebevoll nannten, versehentlich von einem republikanischen Panzer überrollt und erlag am darauf folgenden Tag in einem Hospital in der Nähe von Madrid ihren Verletzungen. Tausende Menschen gaben Gerda Taro das letzte Geleit, als sie am 1. August 1937 auf dem Friedhof Père-Lachaise in Paris beigesetzt wurde. Pablo Neruda und Louis Aragon führten den Trauerzug an, die Repräsentanten der französischen Volksfront folgten dem Sarg, vereint in kollektiver Trauer um eine Märtyrerin, die ihr Leben für die Freiheit Spaniens geopfert hatte. Eine Kameradin "gleich der Rose", so besingt der Dichter Luis Perez Infante Gerda Taro in einem Gedicht. Ihre Ruhestätte, mit dem von Alberto Giacometti gestalteten Grabmal, wurde zu einem Wallfahrtsort für die sozialistische Bewegung und zum Symbol für den Kampf gegen den Faschismus.
Fotographie und Authentizität
Taros Lebensgefährte Robert Capa wurde zu einem der berühmtesten Kriegsfotografen. 1947 gründete er mit Henri Cartier-Bresson, David Seymour und George Rodger die Foto- und Fotografenagentur Magnum. Capa lieferte weiterhin spektakuläre Fotos aus allen Krisengebieten der Welt, seine Bilder waren Meisterstücke der Fotografie. 1948 begleitet er mit seiner Kamera die Gründung des Staates Israel. Robert Capa starb 1954 als Berichterstatter im Indochinakrieg durch einen Minenunfall.
Taro, Capa und ihre Zeitgenossen waren die Wegbereiter der modernen Kriegsberichterstattung. Der Fotoreporter musste von nun an in vorderster Linie neben dem kämpfenden Soldaten stehen. Die
Authentizität der Aufnahme wurde Voraussetzung für eine gute und vermarktbare Reportage, die dann auch das Sensationsbedürfnis von Presse und Medien zu befriedigen in der Lage war. Erst in den
letzten Jahren wird diese Form der authentischen Berichterstattung unter moralischen Aspekten neu betrachtet und bewertet, nicht zuletzt unter dem Eindruck der Kriege im Irak und Afghanistan.
Die Ausstellung
Gerda Taro: Krieg im Fokus ist noch bis zum 16. Mai 2010 im Kunstmuseum Stuttgart zu besichtigen. Das Begleitprogramm zur Ausstellung finden Sie unter
www.kunstmuseum-stuttgart.de
Mehr Fotos unter:
www.nytimes.com/slideshow/2007/09/21/arts/20070922_TARO_SLIDESHOW_index.html