Die Absichtserklärung zur Beendigung der Krise in Simbabwe ist unterzeichnet. Am vergangenen Montag trafen sich Präsident Robert Mugabe, sein stärkster Konkurrent Morgan Tsvangirai von der
größten Oppositionspartei Movement for Democratic Change (MDC) und Arthur Mutambara, von einer kleinen MDC-Abspaltung. Sie einigten sich in dem fünfseitigen Memorandum auf den Beginn eines
konstruktiven Dialogs. Innerhalb der nächsten vierzehn Tage wollen sie über eine Übergangsregierung, Verfassungsänderungen, ein Programm zur Überwindung der Wirtschaftskrise, die
Wiederherstellung von Ordnung und Rechtsstaatlichkeit, die internationalen Sanktionen und die umstrittene Landreform verhandeln. Dabei sind die Chancen einer Einigung ungewiss, der größte Erfolg
bislang ist ein Ende der gegenseitigen Hasstiraden.
Denn seit etwa vier Monaten befindet sich Simbabwe am Abgrund eines Bürgerkriegs. Im März musste sich Präsident Robert Mugabe neuen Präsidentschafts- und Parlamentswahlen stellen. Dabei
verlor er in beiden Fällen die Mehrheit, konnte sich aber an eine zweite Runde der Präsidentschaftswahlen klammern, weil auch sein Konkurrent von der Oppositionspartei Morgan Tsvangirai angeblich
nicht auf die nötigen 50 Prozent der Wählerstimmen kam. Seitdem überzogen Mugabes Sicherheitsdienste, private Schlägertrupps und Milizen das Land mit Repression und Gewalt. Vor allem in den
ländlichen Gebieten machten sie Jagd auf Oppositionspolitiker und -angehörige. Das Volk sollte so weit eingeschüchtert werden, dass es Mugabe schon wählen würde.
Traurige Bilanz: über 120 MDC-Aktivisten wurden ermordet, Parlamentarier der Opposition mussten sich verstecken, 200.000 Menschen sind von zu Hause geflohen. Der aussichtsreichste
Präsidentschaftskandidat, Morgan Tsvangirai, sah sich kurz vor der zweiten Wahlrunde im Juli schließlich gezwungen, von seiner Kandidatur Abstand zu nehmen und flüchtete sich zeitweilig in die
niederländische Botschaft. Er begründete die Kapitulation seiner Partei damit, das Leben seiner Anhänger nicht aufs Spiel setzen zu können. Mugabe trat also konkurrenzlos zu den Wahlen an - und
erklärte sich schnellstmöglich zum Sieger. Innerhalb weniger Stunden ließ er sich vereidigen. Zuvor hatte er erklärt, er würde auch einen Bürgerkrieg nicht ausschließen, um an der Macht zu
bleiben und nur Gott könne ihn aus seinem Amt entheben.
Lichtblicke
Robert Mugabe und Morgan Tsvangirai haben nach fast einem Jahrzehnt des Ignorierens nun wieder miteinander gesprochen und ihre Absichtserklärung durch einen Handschlag besiegelt. Mugabe,
der seinen Kontrahenten als Verräter, Marionette des Westens und Verbrecher bezeichnete; Tsvangirai, der sich im Wahlkampf schwerste Kopfverletzungen durch Mugabes Sicherheitskräfte zuzog und um
sein Leben fürchten musste - beide standen sich nun direkt gegenüber. Unter Vermittlung des südafrikanischen Präsidenten Thabo Mbeki gaben sie ihre starren, sich diametral entgegenstehenden
Haltungen auf. Tsvangirai beharrte nicht mehr auf Anerkennung des Wahlsiegs in der ersten Runde der Präsidentschaftswahlen, Mugabe nicht mehr auf dem Triumph der zweiten Runde. Statt von
Trennendem wurde nun erstmals von notwendigen Kompromissen für das Wohl des simbabwischen Volkes gesprochen.
Die Zeit drängt
Denn das Land liegt am Boden. Seit einer umstrittenen Landreform Anfang 2000, bei der weiße Farmer enteignet und das Land an schwarze Kleinbauern verteilt wurde, ging es mit der
simbabwischen Wirtschaft bergab. Der einstige Unabhängigkeitskämpfer und erste Präsident Robert Mugabe sah sich heftiger Kritik ausgesetzt und reagierte mit Starrsinn, Zorn und Ignoranz. Mugabe
riss die Macht an sich, änderte die Verfassung zu seinen Gunsten und schaltete die Medien gleich. Einer sich formierenden Oppositionsbewegung um Morgan Tsvangirai begegnete er mit Gewalt, Kritik
aus dem Ausland verschloss er sich trotzig. Meinungs-, Versammlung- und Pressefreiheit wurden de facto abgeschafft, die Wirtschaft kollabierte und Simbabwe wurde internatonal isoliert.
Siedlungen, in denen vor allem Anhänger der Opposition lebten, wurden niedergerissen.
Doch am Montag, zeitgleich mit der Unterzeichnung der Absichtserklärung, musste die Zentralbank nun eine 100 Milliarden Dollar Banknote in Umlauf bringen, um dem galoppierenden Verfall der
Währung hinterherzukommen. Und nur vier Tage nach Einführung sind auch mit diesem Geldschein nicht mehr als drei Eier zu bekommen, vorausgesetzt die Supermärkte bieten diese überhaupt noch an.
Denn es fehlt an allem. Die Arbeitslosigkeit liegt bei 80 Prozent, die Welternährungsorganisation (FAO) geht davon aus, dass es zu schweren Hungersnöten kommen wird. Simbabwe produziert nur noch
ein Zehntel des Getreides, das es vor einer Dekade herstellte. Saatgut wird mittlerweile konsumiert. Fälle von Mangelerscheinungen bei Kindern häufen sich. Schulen, Krankenhäuser und Brunnen
können nicht mehr unterhalten werden.
Nach erneuter Vereidigung Mugabes haben die Vereinigten Staaten von Amerika und die Europäische Union ihre Sanktionen verschärft. Die Vereinten Nationen scheiterten an einem Veto Russlands
und Chinas an einer internationalen Verurteilung von Mugabes Gewalt. Jedoch berief UN-Generalsekretär Ban Ki-moon einen Sonderbeauftragten ein, der in der Krise vermitteln soll. Die Staaten der
Afrikanischen Union (AU) appellierten an Mugabe, die Macht mit Tsvangirai zu teilen. Die Wirtschafts- und Entwicklungsgemeinschaft des Südlichen Afrikas (SADC), deren Staaten sich Millionen
simbabwischer Flüchtlinge ausgesetzt sehen, berief den südafrikanischen Präsidenten als Vermittler ein.
Ein kleiner Erfolg und viele offene Fragen
Und dieser hatte schließlich Erfolg. Internationale Isolation, zunehmende Kritik von den Nachbarstaaten, eine kollabierende Wirtschaft und eine verzweifelte Bevölkerung ließen Mugabe
endlich umdenken. Thabo Mbeki, der für seine seine "stille Dipomatie" und das Festhalten an Mugabe heftig gescholten wurde, konnte beide Seiten wieder an einen Tisch bringen. Dabei wurde ihm zum
Vorteil, Mugabe nicht zu heftig kritisiert zu haben. Experten gehen davon aus, dass sich der simbabwische Diktator auf keinen anderen Vermittler eingelassen hätte.
Auf der Agenda steht nun, ob eine gemeinsame Regierung der nationalen Einheit oder nur eine Übergangsregierung gebildet werden soll. Präsident Mugabe hat für die Zeit der Gespräche erst
einmal versprochen, weder ein neues Parlament einzuberufen, noch ein Kabinett zu bilden. Am liebsten würde Tsvangirai den Kontrahenten endgültig in Rente schicken. Wie es mit ihm und seinen
Anhängern, vor allem seinen Verbündeten bei Polizei, Armee und Jugendverbänden weitergeht, ist ebenfalls klärungsbedürftig. Ein Ende der Gewalt gegen Oppositionsangehörige, die Freilassung
tausender politischer Gefangene und die Verfolgung von Straffälligen stehen bei Tsvangirai ganz oben auf der Agenda, Mugabe wird vor allem eine Stabilisierung der Wirtschaft, eine Rückkehr der
Hilfsorganisationen und ein Umgehen weiterer Sanktionen interessieren. Dabei gibt sich der Diktator selbstbewusst.
In Kenia, das im Dezember vergangenen Jahres in einer ähnlichen Situation war, ist es zu einer Machtteilung gekommen. Den Präsident stellt weiterhin die Regierungspartei, einen neu
geschaffenen Posten des Premierministers besetzt die Opposition. So konnten zumindest Ruhe und Ordnung wiederhergestellt werden, das Land erhielt eine Verschnaufpause. Die Frage, ob sich ein so
autoritärer Herrscher wie Mugabe überhaupt auf eine derartige Lösung einlassen wird, bleibt dabei ebenso unklar, wie die Frage, ob diese Lösung in einer so verfahrenen Situation wie in Simbabwe
überhaupt sinnvoll ist.
Die internationale Gemeinschaft hat ein dringendes Bedürfnis, Stabilität und Aufschwung nach Simbabwe zurückzubringen, denn der Konflikt bringt eine ganze Region in Verruf, die sich
eigentlich positiv entwickelt und ein enormes Potenzial aufweist. Der südafrikanische Präsident und Vermittler Thabo Mbeki braucht einen Erfolg, um die Flüchtlingswellen auf sein Land zu
verringern und sein Programm der Afrikanischen Renaissance zu retten. Die beiden simbabwischen Krisenprotagonisten, Mugabe und Tsvangirai, werden nicht mehr ohne einander auskommen. Die Krise in
Simbabwe ist auf dem Höhepunkt. In vierzehn Tagen sollen die Ergebnisse stehen. Ansonsten droht Simbabwe ein gescheiterter Staat zu werden, in die Fußstapfen Somalias zu treten.
Jérôme Cholet war im vergangenen Jahr Hospitant im Johannesburger Büro der Friedrich-Ebert Stiftung und arbeitet als freier Autor mit Schwerpunkt Afrika, Lateinamerika und Naher Osten. Themen sind Armut, Gerechtigkeit und Gewalt.
arbeitet als freier Autor mit Schwerpunkt Afrika, Lateinamerika und Naher Osten.