Inland

„Das ist kaum zu schultern“

von Susanne Dohrn · 1. Februar 2010
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vorwärts.de: Wie ist die Finanzlage von Köln?
Jürgen Roters: Außerordentlich angespannt, wie in vielen Städten und Kommunen der Republik. 2010 erreichen wir ein Defizit von 540 Millionen Euro, gemessen an einem Gesamthaushalt von 3,1 Milliarden - unter anderem wegen zurückgehenden Gewerbesteuereinnahmen, zusätzlichen Soziallasten wegen der Wirtschaftskrise. Das Wachstumsbeschleunigungsgesetz schlägt bei uns mit einem Minus von 9 Millionen bei der Einkommenssteuer zu Buche, die Senkung der Mehrwertsteuer auf Übernachtungen von 19 auf 7 Prozent mit 20 Millionen.

Wie wollen Sie das einsparen?
Das ist kaum zu schultern. Für freiwillige Leistungen etwa im Kulturbereich, beim Einsatz von Sozialarbeitern oder der Straßenzustandspflege haben wir ein Budget von 200 Millionen. Ohne die Hilfe von Bund und Land in dieser extrem schwierigen Lage schaffen wir es nicht.

Fast allen Städte und Gemeinden geht es schlecht. Soll der Bund allen helfen?
Als wir die Bankenkrise hatten, hat die Bundesregierung auch nicht lange gezögert zu helfen, was richtig war. Jetzt muss sie uns helfen, Brücken zu bauen, um dieses tiefe Tal zu überwinden. Mein Vorschlag ist, den Solidarpakt II für drei Jahre auszusetzen. Wir wollen nicht die Solidarität aufkündigen, aber wir haben auch im Westen eine ganz schwierige Situation. Uns würde das 75 Millionen bringen, also wieder Luft zum Atmen.

Die Stadt Köln will auch eine Bettensteuer auf Übernachtungen erheben. Was bringt das?
Die vom Hauptauschuss des Rates beschlossene Kulturabgabe bringt 12 Millionen von den 20 Millionen, die wir verlieren. Die Bevorzugung der Hoteliers darf nicht zulasten der Kommune gehen. Wir wollen ein Stück von dem zurückhaben, was den Hoteliers von der schwarz-gelben Regierung ohne politische Berechtigung gegeben wurde.

Wo wollen Sie sparen?

Ohne jetzt schon genaues sagen zu können: Wir werden alles auf den Prüfstand stellen. Wir müssen sehen, wo wir Leistungen abbauen können, Standards senken, Beiträge erhöhen. Es darf aber nicht sein, dass Strukturen zerschlagen werden, die unsere Stadtgesellschaft dringend braucht.

Müssen Sie auch bei der Kinderbetreuung sparen?
Ich hoffe nicht. Wir haben hier eine wichtige Zukunftsaufgabe, aber wir kommen an die Grenzen unserer Leistungsfähigkeit.

Wie steht es um den sozialen Zusammenhalt der Gesellschaft?

Die Spaltung der Gesellschaft wird größer. Gerade in Großstädten kann man das beobachten. Wir müssen aufpassen, dass das nicht zu erheblichen sozialen Konflikten führt.

Jürgen Roters im Wahlkampf 2009 mit Ratskandidat Horst Noack als Beifahrer. Roters ist seit dem 21. Oktober 2009 Oberbürgermeister der Stadt Köln. Mehr Infos unter: www.juergen-roters.de

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Susanne Dohrn

ist freie Autorin und ehemalige Chefredakteurin des vorwärts.

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