Inland

Gegen „Festungscharakter“ von Schulen

von Vera Rosigkeit · 12. März 2009
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Ein Tag nach dem Amoklauf an einer Realschule in Winnenden warnten Politiker und Experten vor übereilten Reaktionen und sprachen sich mehrheitlich gegen ein Verschärfen des Waffenrechts aus. Der SPD-Vorsitzende Franz Müntefering erklärte, dass ein Missbrauch von Waffen nur schwer zu verhindern sei, "wenn Leute da mit krimineller Gewalt herangehen". Es werde immer wieder Menschen geben, "die aus der Spur kommen und gewalttätig werden. Hundertprozentig verhindern, etwa durch Festungscharakter von Schulen, wird man die Gewalt nicht können", sagte er den "Nürnberger Nachrichten" (Freitagausgabe).

Gegen weitere gesetzliche Maßnahmen sprach sich auch der Vorsitzende des Bundestags-Innenausschusses, Sebastian Edathy in der Zeitung "Die Welt" aus. "Wir sind auf der Höhe der Zeit", sagte er. Gleichzeitig schlug der SPD-Innenexperte vor, in Schulen Metalldetektoren einzusetzen, "in denen bereits festgestellt wurde, dass Waffen im Umlauf sind". Einen flächendeckenden Einsatz von Detektoren lehnte er aber ab.

Privaten Waffenbesitz verbieten?

Konrad Freiberg, Chef der Polizeigewerkschaft GdP, sieht ebenfalls keine Veranlassung, das Waffenrecht in Deutschland zu verschärfen. "Ich glaube nicht, dass wir weitere Änderungen benötigen. Freiberg wies in der "Neuen Presse" aus Hannover darauf hin, dass die letzten Verschärfungen erst am 1. April 2008 in Kraft getreten sind. Genauer geprüft werden sollte allerdings, wie Waffen gelagert und untergebracht würden, so Freiberg.

Ein Verbot von privatem Waffenbesitz forderte hingegen der SPD-Politiker Hermann Scheer. Dies sei die einzige effektive Prävention gegen Amoktäter, sagte Scheer, in dessen Wahlkreis Waiblingen die Tat geschah, der "tageszeitung" (Freitag). Scheer sagte, das Verbot würde zwar zu 99,9 Prozent Leute treffen, die verantwortlich mit den Waffen umgingen. Aber die Möglichkeit, so künftig Taten wie in Winnenden zu verhindern, rechtfertige die einschneidende Maßnahme.

Mehr Schulpsychologen gefordert

Auch der Präsident der Deutschen Stiftung für Verbrechensbekämpfung, Hans-Dieter Schwind, sprach sich für eine Verschärfung des Waffenrechts aus: "Kaum jemand wisse, dass in Deutschland zehn Millionen legale Waffen und geschätzte rund 20 Millionen illegale Waffen im Umlauf seien. Jugendliche hätten darauf noch immer einen viel zu leichten Zugriff, weil sie einfach nur den Schlüssel für den Waffenschrank finden müssten", sagte er der "Neuen Osnabrücker Zeitung". Seiner Meinung nach müssten auch Computer-Gewaltspiele komplett verboten werden. Dass der 17-jährige Tim Kretschmer auf der Flucht weiter um sich geschossen habe, sei ein Verhalten, das Jugendliche in Spielen wie "CounterStrike" lernen könnten, so Schwind.

Heinz-Peter Meidinger, Vorsitzender des Deutschen Philologenverbandes warnte, weder Videoanlagen und Sicherheitsschleusen noch Eingangskontrollen und Detektoren könnten für mehr Sicherheit an Schulen sorgen. Es gebe keine Patentrezepte, sagte er. Die Lehrergewerkschaften forderten den verstärkten Einsatz von Schulpsychologen. Im internationalen Vergleich sei die Ausstattung der deutschen Schulen mit Psychologen katastrophal, sagte der GEW-Vorsitzende Ulrich Thörne der "Thüringer Allgemeinen".


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Vera Rosigkeit

hat Politikwissenschaft und Philosophie in Berlin studiert und ist Redakteurin beim vorwärts.

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