Dramatische Konsequenzen für die Arbeitsbedingungen der rund 200 000 Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer im Postwesen erwartet die Vereinte Dienstleistungsgewerkschaft ver.di mit der
vollständigen Liberalisierung des Postmarktes, die für Anfang 2008 vollzogen wird.
Knapp 200 000 Beschäftigte von Lohndumping bedroht
Eine Studie im Auftrag von ver.di belegt, dass das Einkommen bei Lizenznehmern am Briefmarkt in Westdeutschland um 40 Prozent und in Ostdeutschland um 50 Prozent unter dem Einstiegsgehalt für
Zustellkräfte bei der Deutschen Post AG liegen. "Armutslöhne und Minijobs", so der stellvertretende ver.di-Vorsitzende Rolf Büttner bei einer Pressekonferenz, seien die Folge eines
Verdrängungswettbewerbs im deutschen Briefmarkt. Die Branche droht "zu einem Niedriglohnsektor abseits tariflicher Regelungen zu verkommen."
"Arm trotz Arbeit"
Als besonders negatives Beispiel hob Büttner die allgäu mail GmbH hervor. Mit einem täglichen Grundlohn von vier Euro plus einen Stücklohn von 0,12 Euro pro Sendung käme ein Zusteller auf
einen Monatslohn von 700 bis 800 Euro. Das bedeutet Armut trotz Arbeit für die Beschäftigten, die zusätzlich noch staatliche Transferleistungen in Anspruch nehmen müssten. Zudem werden mit diesen
Beschäftigungsverhältnissen die sozialen Sicherungssysteme belastet.
ver.di: Soziale Standards und Mindestlöhne
ver.di fordert daher eine Sicherstellung der sozialen Standards. Dies kann geschehen, so Büttner, wenn die Bundesnetzagentur als Regulierungsbehörde die Lizenzerteilung von der Einhaltung
branchenüblicher Arbeitsbedingungen abhängig macht. "Mindestlöhne müssen im Briefmarkt ein existenzsicherndes Erwerbseinkommen sicherstellen."
Unterstützung von Müntefering
Das Thema Mindestlöhne steht am heutigen Montag auf der Agenda des Koalitionsausschusses. Die Union ist gegen ihre Einführung, Bundesarbeitsminister Franz Müntefering hält sie dagegen für
dringend notwendig und hat konkrete Vorschläge für Reformen im Niedriglohnsektor
angekündigt. Damit sollen in weiteren Branchen tarifliche Mindestlöhne
ermöglicht werden.
"Mindestlohnhöhe festlegen"
Auch wenn Tarifvereinbarungen zwischen Arbeitgeber und Arbeitnehmer für die SPD Vorrang vor gesetzlichen Regelungen haben, müsse man auch sehen, dass es Zeitarbeitsfirmen und Dienstleistungen
im Bereich der Post gebe, wo eine "Diffusion am Arbeitsmarkt" stattfinde, die inakzeptabel sei", sagte Müntefering am Sonntag. Dies mache die Einführung von Mindestlohnhöhen notwendig.
Die SPD will Mindestlöhne vor allem im Dienstleistungsbereich durchsetzen, wo mit starkem Konkurrenzdruck gerechnet werden muss. Auch der SPD-Abgeordnete Florian Pronold betonte, dass die
Sozialdemokraten grundsätzlich zur Tarifautonomie stünden, diese im Niedriglohnbereich aber nicht funktioniere. Dort müsse der Staat eingreifen.
Mehr Informationen unter
"Gute Arbeit, faire Löhne"
Zum Thema Mindestlöhne unter
www.boeckler.de
und
www.mindestlohn.de
Die Studie: Liberalisierung und Prekarisierung - Beschäftigungsbedingungen bei den neuen Briefdienstleistern in Deutschland.
Quellen: ddp
hat Politikwissenschaft und Philosophie in Berlin studiert und ist Redakteurin beim vorwärts.