Inland

Mindestlöhne statt Prekarisierung

von Vera Rosigkeit · 29. Januar 2007
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Dramatische Konsequenzen für die Arbeitsbedingungen der rund 200 000 Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer im Postwesen erwartet die Vereinte Dienstleistungsgewerkschaft ver.di mit der vollständigen Liberalisierung des Postmarktes, die für Anfang 2008 vollzogen wird.

Knapp 200 000 Beschäftigte von Lohndumping bedroht

Eine Studie im Auftrag von ver.di belegt, dass das Einkommen bei Lizenznehmern am Briefmarkt in Westdeutschland um 40 Prozent und in Ostdeutschland um 50 Prozent unter dem Einstiegsgehalt für Zustellkräfte bei der Deutschen Post AG liegen. "Armutslöhne und Minijobs", so der stellvertretende ver.di-Vorsitzende Rolf Büttner bei einer Pressekonferenz, seien die Folge eines Verdrängungswettbewerbs im deutschen Briefmarkt. Die Branche droht "zu einem Niedriglohnsektor abseits tariflicher Regelungen zu verkommen."



"Arm trotz Arbeit"


Als besonders negatives Beispiel hob Büttner die allgäu mail GmbH hervor. Mit einem täglichen Grundlohn von vier Euro plus einen Stücklohn von 0,12 Euro pro Sendung käme ein Zusteller auf einen Monatslohn von 700 bis 800 Euro. Das bedeutet Armut trotz Arbeit für die Beschäftigten, die zusätzlich noch staatliche Transferleistungen in Anspruch nehmen müssten. Zudem werden mit diesen Beschäftigungsverhältnissen die sozialen Sicherungssysteme belastet.



ver.di: Soziale Standards und Mindestlöhne


ver.di fordert daher eine Sicherstellung der sozialen Standards. Dies kann geschehen, so Büttner, wenn die Bundesnetzagentur als Regulierungsbehörde die Lizenzerteilung von der Einhaltung branchenüblicher Arbeitsbedingungen abhängig macht. "Mindestlöhne müssen im Briefmarkt ein existenzsicherndes Erwerbseinkommen sicherstellen."

Unterstützung von Müntefering

Das Thema Mindestlöhne steht am heutigen Montag auf der Agenda des Koalitionsausschusses. Die Union ist gegen ihre Einführung, Bundesarbeitsminister Franz Müntefering hält sie dagegen für dringend notwendig und hat konkrete Vorschläge für Reformen im Niedriglohnsektor

angekündigt. Damit sollen in weiteren Branchen tarifliche Mindestlöhne

ermöglicht werden.



"Mindestlohnhöhe festlegen"

Auch wenn Tarifvereinbarungen zwischen Arbeitgeber und Arbeitnehmer für die SPD Vorrang vor gesetzlichen Regelungen haben, müsse man auch sehen, dass es Zeitarbeitsfirmen und Dienstleistungen im Bereich der Post gebe, wo eine "Diffusion am Arbeitsmarkt" stattfinde, die inakzeptabel sei", sagte Müntefering am Sonntag. Dies mache die Einführung von Mindestlohnhöhen notwendig.

Die SPD will Mindestlöhne vor allem im Dienstleistungsbereich durchsetzen, wo mit starkem Konkurrenzdruck gerechnet werden muss. Auch der SPD-Abgeordnete Florian Pronold betonte, dass die Sozialdemokraten grundsätzlich zur Tarifautonomie stünden, diese im Niedriglohnbereich aber nicht funktioniere. Dort müsse der Staat eingreifen.

Mehr Informationen unter

"Gute Arbeit, faire Löhne"

Zum Thema Mindestlöhne unter www.boeckler.de

und www.mindestlohn.de

Die Studie: Liberalisierung und Prekarisierung - Beschäftigungsbedingungen bei den neuen Briefdienstleistern in Deutschland.

Studie



Quellen: ddp

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Vera Rosigkeit

hat Politikwissenschaft und Philosophie in Berlin studiert und ist Redakteurin beim vorwärts.

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